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Zusatzqualifikationen in der Ausbildung anbieten

Sie haben leistungsstarke Auszubildende eingestellt und möchten ihnen die Möglichkeit geben, zusätzliche Qualifikationen zu erwerben? Sie haben festgestellt, dass eine/r Ihrer Auszubildenden den Wunsch hat, an einer Zusatzqualifizierung teilzunehmen? Sie benötigen bestimmte Kompetenzen im betrieblichen Alltag bei Ihren Auszubildenden, die Sie aus zeitlichen oder anderen Gründen nicht in den Ausbildungsplan mit aufnehmen können? Oder Sie hegen einfach den Wunsch, Ihr Ausbildungsangebot attraktiver zu gestalten? Dann lohnt es sich herauszufinden, auf welche Weise Sie Zusatzqualifikationen während einer Berufsausbildung anbieten können.

Zusatzqualifikationen in der Ausbildung anbieten

Die grundlegende Voraussetzung für den Einsatz von Zusatzqualifikationen in ihrem Unternehmen sollte immer ein festgestellter Bedarf an entsprechenden Qualifikationen sein. Ausgehend von den betrieblichen Interessen ist dann zu prüfen, welche Auszubildenden dafür geeignet sind und Interesse haben; das müssen keinesfalls immer die leistungsstärksten sein.

Nach dem Motto „Mehr als nur eine Ausbildung“ soll Sie dieser Themenschwerpunkt darüber informieren, was Zusatzqualifikationen sind und auf welche Weise Sie diese in Ihr Ausbildungsangebot integrieren können.

Was sind Zusatzqualifikationen?

Zusatzqualifikationen sind Maßnahmen, um während der Ausbildung zusätzliche berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erlangen. Zusatzqualifikationen sind in der Regel zeitlich, inhaltlich und organisatorisch eigene Ausbildungsabschnitte innerhalb der Ausbildung und können durch ein Abschlusszertifikat mit vorausgehender Prüfung oder ein Teilnahmezertifikat bescheinigt werden. Die Angebote können sich vor allem in der Dauer, nach Anbieter, dem Inhalt und den Kosten voneinander unterscheiden. Jeder Ausbildungsbetrieb kann eigene Zusatzqualifikationen planen und umsetzen, es können aber auch Angebote Dritter, z.B. von Bildungszentren der zuständigen Stellen, Bildungsanbietern und überbetrieblichen Bildungszentren, geprüft und genutzt werden.

Mögliche Anbieter von Zusatzqualifikationen

Die Inhalte der Zusatzqualifikationen beziehen sich auf einzelne Berufe, Berufsgruppen oder sie sind berufsübergreifend für viele Berufe geeignet. Dabei kann zwischen drei Formen unterschieden werden:  

  1. Zusatzqualifikationen können die beruflichen Qualifikationen horizontal erweitern oder vertiefen, indem berufsübergreifende Qualifikationen, wie z. B. Controlling für kaufmännische Auszubildende oder berufsspezifische Qualifikationen, z. B. E-Business für Kaufleute im Einzelhandel (E-Business-Junior-Assistant), erworben werden. Dabei können es auch Qualifikationen aus anderen bzw. benachbarten Bereichen sein, die angestrebt werden, wie z. B. technische Kompetenzen für kaufmännische Auszubildende.
  2. Zudem werden Zusatzqualifikationen auch als berufsunabhängige Qualifikationen angeboten, wie z.B. der Europäische bzw. Internationale Computerführerschein (ECDL/ICDL), Projektmanagement oder fremdsprachliche Kompetenzen.
  3. Zusatzqualifikationen können auch berufliche Kompetenzen vertikal erweitern und vertiefen, die häufig auf Aufstiegspositionen vorbereiten und daher umfassend sind, weil mit der Ausbildung eine abschlussbezogene Fortbildung absolviert wird, wie z. B. bei der Kombination der Ausbildung Kaufmann/-frau im Einzelhandel mit der Fortbildung Handelsassistent/-in – Einzelhandel.

Was sind kodifizierte Zusatzqualifikationen?

Seit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) im Jahr 2005 gibt es die Möglichkeit, Zusatzqualifikationen in Ausbildungsordnungen zu integrieren - sogenannte kodifizierte Zusatzqualifikationen. Dies wurde erstmalig 2009 im Ausbildungsberuf Musikfachhändler/-in umgesetzt. 

BBiG § 49 - Zusatzqualifikationen

(1) Zusätzliche berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 werden gesondert geprüft und bescheinigt. Das Ergebnis der Prüfung nach § 37 bleibt unberührt.

(2) § 37 Abs. 3 und 4 sowie die §§ 39 bis 42 und 47 gelten entsprechend.

Kodifizierte Zusatzqualifikationen in Ausbildungsordnungen sind dabei über den Mindeststandard hinausgehende, mögliche zu vermittelnde Qualifikationen im Rahmen der Berufsausbildung. Die Zusatzqualifikationen müssen im Ausbildungsvertrag zwischen beiden Vertragspartnern vereinbart sein sowie im betrieblichen Ausbildungsplan aufgenommen werden, um ihre Vermittlung nachweisen zu können. Zudem müssen sie durch die zuständige Stelle gesondert geprüft und bescheinigt werden.

So ist beispielsweise im Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau für Büromanagement die Möglichkeit der zusätzlichen Vermittlung und Prüfung einer kodifizierten Zusatzqualifikation vorgesehen. Hierfür kann vom Auszubildenden in Absprache mit dem Ausbildungsbetrieb eine für die grundständige Berufsausbildung nicht gewählte Wahlqualifikationseinheit absolviert werden. Sie wird im Rahmen der Abschlussprüfung gesondert geprüft, wenn die dafür erforderlichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt worden sind. Die Prüfung ist im Zusammenhang mit der Abschlussprüfung Teil 2 durchzuführen und erfordert eine separate Anmeldung bei der IHK.

Mittlerweile gibt es kodifizierte Zusatzqualifikationen für folgende Berufe:

  • Buchhändler/in
  • Holzmechaniker/in
  • Kaufmann/-frau für Büromanagement
  • Medientechnologe/-technologin
  • Musikfachhändler/in
  • Textilgestalter/in im Handwerk
  • Tourismuskaufmann/-frau
  • Mechatroniker/in

Industrielle Elektroberufe, insbesondere:

  • Elektroniker/in für Betriebstechnik
  • Elektroniker/in für Automatisierungstechnik
  • Elektroniker/in für Geräte und Systeme
  • Elektroniker/in für Gebäude- und Infrastruktursysteme
  • Elektroniker/in für Informations- und Systemtechnik

Industrielle Metallberufe, insbesondere:

  • Anlagenmechaniker/in
  • Industriemechaniker/in
  • Konstruktionsmechaniker/in
  • Werkzeugmechaniker/in
  • Zerspanungsmechaniker/in

Wählbare Zusatzqualifikationen für angehende Mechatroniker/innen sowie in den industriellen Elektro- und Metallberufen:

Mechatroniker/in Elektroberufe Metallberufe

Digitale Vernetzung

Digitale Vernetzung Prozessintegration

IT-Sicherheit

IT-Sicherheit Systemintegration

Programmierung

Programmierung

IT-gestützte

Anlagenänderung

Additive

Fertigungsverfahren

 

Additive

Fertigungsverfahren

 

Falls Sie also eine Ausbildung in einem dieser Bereiche anbieten oder zukünftig anbieten möchten, sollten Sie sich auch mit den möglichen kodifizierten Zusatzqualifikationen vertraut machen.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung hat im Rahmen der Teilnovellierungen der Metall- und Elektroberufe einen detaillierten Ablaufplan zur Planung und Umsetzung von kodifizierten Zusatzqualifikationen im Betrieb erstellt.1

Planung und Umsetzung von Zusatzqualifikationen - Hinweis für Ausbildungsverantwortliche

Dauer der Zusatzqualifikation

Die Dauer der Qualifizierung hängt vom jeweiligen Lernziel ab. Laut Definition des Projekts AusbildungPlus des Bundesinstituts für Berufsbildung sollten Zusatzqualifikationen eine Mindestdauer von 40 Stunden aufweisen. Der Zeitaufwand für eine Zusatzausbildung kann erheblich variieren. Sie als Ausbilder/in müssen daher gemeinsam mit den Auszubildenden entscheiden, welche Kompetenzen erworben werden sollen und welcher Zeitaufwand für Sie in Frage kommt. Selbstverständlich sollte die Zusatzqualifikation auch mit dem Ausbildungsalltag (Berücksichtigung der Anwesenheiten in Beruf und Berufsschule) der Auszubildenden vereinbar sein.

Zusatzqualifikationen können grundsätzlich die Attraktivität einer Berufsausbildung steigern. Eine gut geplante und für den individuellen betrieblichen Arbeitsalltag sinnvoll gewählte Zusatzqualifikation kann die Ausbildung erheblich aufwerten und sowohl dem Auszubildenden als auch dem Betrieb viele Vorteile bringen.

 

Vorteile für Unternehmen Vorteile für Auszubildende
Gewinn durch zusätzliches Wissen, Fähigkeiten und Kenntnisse der Auszubildenden Zusätzliches Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten
Sichtbarmachen des Potenzials der Auszubildenden (meistern sie die Zusatzqualifikation?) Persönliche Weiterentwicklung
Attraktivität der Ausbildung Ihres Unternehmens wird gesteigert: besonders relevant, um leistungsstarke Azubis zu gewinnen

Leistungsstarke Auszubildende: Falls eine Verkürzung der Ausbildung nicht möglich ist, kann so die Zufriedenheit gesteigert werden

Motivierte und selbstbewusste Auszubildende Zusätzliche Motivation und Selbstbewusstsein über die tägliche Arbeit hinaus
Frischer Input für das Unternehmen: Qualifikationszuwachs für das Ausbildungspersonal Lebenslauf wird aufgewertet: Vorteil bei späteren Bewerbungen

 

Der Weg zur Zusatzqualifikation

Die Vorteile von Zusatzqualifikationen für Unternehmen und Auszubildende sind zahlreich. Doch wie können Sie eine passende Zusatzqualifikation für Ihre/n Auszubildende/n in Ihr Ausbildungsangebot integrieren?

Folgende Grafik zeigt eine Möglichkeit, wie ein effektiver Verlauf von der Suche nach einer passenden Zusatzqualifikationen bis hin zur Nutzung der neu erlangten Kompetenzen Ihrer Auszubildenden aussehen kann:

Im Folgenden wird auf die einzelnen Schritte näher eingegangen:

Um sich für eine Zusatzqualifikation zu entscheiden, können Sie verschiedene Perspektiven betrachten:

Wichtig ist, dass Sie Ihre Ideen mit Ihren Auszubildenden teilen und sie nach ihrer Meinung und eigenen Interessen fragen.

Haben Sie schon klare Vorstellungen davon, welche Zusatzqualifikationen Sie in Ihrem Unternehmen anbieten möchten oder welche Qualifikationen Ihr Betrieb im Arbeitsalltag benötigt, bevor Sie Auszubildende einstellen? Dann sollten Sie dies bereits in der Bewerbungsphase mit potenziellen Auszubildenden besprechen.

Falls Sie keine konkrete zusätzliche Kompetenz als besonders relevant erachten, geben Sie Ihren Auszubildenden die Möglichkeit, sich selbst für eine Qualifikation zu entscheiden.

Angebote finden

Eine erste Suche nach Angeboten für Zusatzqualifikationen können Sie in der Datenbank von AusbildungPlus durchführen. Zudem sind auch die Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern geeignete Ansprechpartner.

Bei der Suche nach einer geeigneten Zusatzqualifikation werden Sie feststellen, dass diese ganz verschiedene Bereiche abdecken und die unterschiedlichsten Lernziele verfolgen. Themenfelder von Zusatzqualifikationen sind beispielsweise:

  • Internationale Qualifikationen
  • Zertifikate im kaufmännischen Bereich
  • Kompetenzen im Bereich der Informationstechnologie (IT)
  • Natur- und Umweltschutz
  • Erneuerbare Energien
  • Gastronomie und Tourismus
  • Berufsübergreifende Qualifikationen

Die Vermittlung von im Unternehmen benötigten Kenntnissen durch Zusatzqualifikationen bietet sich insbesondere für neue Technologien oder innovative Zukunftsfelder an, die in den Ausbildungsordnungen möglicherweise noch gar nicht berücksichtigt sind.

Auch die Methode der Qualifikationsvermittlung kann sich zwischen Zusatzqualifikationen unterscheiden. Mögliche Formate sind:

  • Unterricht in Berufsschule oder Bildungszentrum
  • Workshops, Kurse, Lehrgänge
  • Begleitete Projekte (lang- und kurzfristig)
  • Patenkonzepte
  • Computer-basiertes / Web-basiertes / App-basiertes Training

Hier sollten Sie die betrieblichen Möglichkeiten berücksichtigen und zudem die Fähigkeiten ihrer Auszubildenden realistisch einschätzen. Ein guter Mix an unterschiedlichen Lehr- und Lernmethoden kann dazu beitragen, die Freude am Lernen und die Neugier Ihrer Auszubildenden zu steigern.

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In die Wahl der Zusatzqualifikation sollten Sie also einfließen lassen, welches Lernziel erreicht werden soll, welche Angebote es gibt, welche Themen davon für Ihr Unternehmen relevant sind und ggf. welche Lernmethode zum betrieblichen Alltag und dem Auszubildenden passt.

Nachdem die passende Zusatzqualifikation gefunden wurde und die Anmeldeformalitäten erledigt sind, muss die Zusatzqualifikation in den betrieblichen Ausbildungsalltag eingepasst werden.  

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Schauen Sie zusammen mit Ihrer/Ihrem Auszubildenden, an welchen Tagen sich die Termine der Qualifizierung ggf. mit den Arbeitszeiten überschneiden und sprechen Sie dies frühzeitig im Betrieb ab. Natürlich kann auch die/der Auszubildende die Ab- und Rücksprache mit anderen Kolleginnen und Kollegen übernehmen. Stellen Sie jedoch sicher, dass Sie gemeinsam festgelegt haben, für welche Vorbereitungen die Auszubildenden zuständig sind und welchen Anteil Sie übernehmen (ggf. schriftlich), damit alles geregelt und koordiniert abläuft.

Während der Qualifizierung sollten Sie mit Ihren Auszubildenden im Gespräch bleiben, um bei Problemen wie zeitlichen Engpässen oder Leistungsschwierigkeiten schnell reagieren zu können. Falls sinnvoll, helfen Sie Ihren Auszubildenden bei der Prüfungsvorbereitung zum Abschluss der Zusatzqualifikation.

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Abhängig vom Thema und dem Umfang des Angebots, werden Sie wahrscheinlich schon während der Qualifizierung erste Veränderungen in der Arbeitsweise und den Fachkenntnissen Ihrer Auszubildenden feststellen. Sie können sie nun dabei unterstützen, die neu erworbenen Kenntnisse in der betrieblichen Praxis auch anzuwenden und dadurch zu vertiefen.

Ihre Beteiligung an der Auswahl und gegebenenfalls auch an der Durchführung der passenden Zusatzqualifikation erlaubt es Ihnen, die praktische Anwendung der Kompetenzen im Unternehmen zu ermöglichen. Dementsprechend können Sie z.B. neue Aufgaben vergeben (siehe Themenschwerpunkt: Auszubildende motivieren), die die Auszubildenden vor der Zusatzqualifikation noch nicht übernehmen konnten. Davon profitieren die Auszubildenden selbst, das Team und das gesamte Unternehmen.

Zusammenfassung

Zusatzqualifikationen sind ein gutes Mittel, um die Qualität der Ausbildung und die Arbeitgeberattraktivität für mögliche Bewerber/innen zu steigern. In der Bewerbungsphase kann das Angebot „Zusatzqualifikation(en) während der Ausbildung“ ein ausschlaggebender Faktor dafür sein, dass sich Auszubildende für Ihr Unternehmen entscheiden. Außerdem können Sie leistungsstarken Auszubildenden die Möglichkeit geben, sich weiter zu entwickeln und/oder weitere wichtige Kompetenzen, die Sie vielleicht selbst aus zeitlichen o.a. Gründen nicht in Ihr Ausbildungsangebot mit einfließen lassen können, vermitteln zu lassen.

Besprechen Sie mit Ihren Auszubildenden, welche Zusatzqualifikationen in Frage kommen oder recherchieren Sie, was für Angebote es in Ihrer Region gibt. Helfen Sie Ihren Auszubildenden, sich für passende Zusatzqualifikation(en) zu entscheiden und unterstützen Sie sie bei der innerbetrieblichen Vorbereitung und Koordination. Sie können die neu gewonnenen Kompetenzen Ihrer Auszubildenden vielleicht schon währenddessen und spätestens nach der Qualifikationsphase für die Arbeit in Ihrem Unternehmen nutzen.

Weitere Informationen

AusbildungPlus: Portal des BIBB für duales Studium und Zusatzqualifikationen in der beruflichen Erstausbildung

Gutschow, Katrin; Lorig, Barbara: Kodifizierte Zusatzqualifikationen - Ziele, Modelle und Verbreitung BWP 3/2022

Conein, Stephanie; Zinke, Gert: Berufsbildung und Digitalisierung – Optionen zur flexiblen Anpassung von Ausbildungsberufen BWP 5/2019

Ausbildung gestalten: Umsetzungshilfen für die Ausbildungspraxis