"Es gibt einen ganz großen Bedarf, diese Technologie zu nutzen und die Szenarien auszubauen"
Mit ViTAWiN ist der Notfallmedizin ein neuartiges Trainingssystem zur Verfügung gestellt worden, das konventionelle Simulationspuppen mittels virtueller Realität (VR) "zum Leben erweckt". Notfallfachpflege- und Rettungsfachkräfte können mit der Anwendung Abläufe und Handgriffe in realitätsnahen Notfall-Szenarien einstudieren und sich somit auch auf seltene und besonders schwierige Fälle optimal vorbereiten.


Mit dem Ziel, die Trainingsqualität in der Notfallmedizin insgesamt zu verbessern, macht das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt ViTAWiN ("Virtuell-augmentiertes Training in der interprofessionellen Notfallversorgung") die Augmentierung von Simulationspuppen möglich. In einem "Mix" aus physisch-realen Objekten und computergenerierten Inhalten ("Augmented Virtuality"), entsteht eine Trainingsumgebung, in der Inhalte haptisch wahrnehmbar und gleichzeitig dynamisch anpassbar sind. Aus einer Simulationspuppe wird in der virtuellen Welt ein Patienten-Avatar, der Emotionen und sich verändernde Krankheitssymptome zeigen kann. Nutzer/-innen befinden sich so in realitätsnahen Entscheidungssituationen wieder, die mit Stress und der Notwendigkeit verbunden sind, gut als Team zu funktionieren. Hier spielt das Trainingssystem ViTAWiN seine Stärken aus, denn es bindet spielerische Elemente (Gamification) in die Kompetenzförderung ein und ermöglicht zugleich das gemeinsame Trainieren von Rettungsfachpersonal und Notfallpflegefachkräften (Interprofessionalität) – und dies sogar dann noch, wenn sich nicht alle Teilnehmer/-innen am selben Ort aufhalten!

Die Ergebnisse aus ViTAWiN fließen ein in die Weiterentwicklung eines mittlerweile am Markt etablierten virtuellen Trainingssystems: iMedtasim. Die Anwendung ermöglicht, ausgewählte Notfall-Szenarien (im Mittelpunkt steht hier die Behandlung schwerer Brandverletzungen) beliebig oft zu wiederholen und bestimmte Ereignisse, die in der Realität sehr selten sind, zu simulieren. Es basiert auf der im Projekt EPICSAVE entwickelten VR-Trainingsumgebung für Notfallsanitäter/-innen, in der die Behandlung eines anaphylaktischen Schocks geprobt werden konnte.
Im Gespräch mit "foraus.gehört" erläutert Prof. Dr. Jonas Schild von der TH-Köln die Entwicklung des Projekts ViTAWiN und geht auf die Rolle von Haptik und Emotionen ein, die für den Erfolg des Trainingssystems von entscheidender Bedeutung sind. Zudem zeigt er Möglichkeiten zur weiteren Nutzung der Anwendung auf.
Jonas Schild ist Professor für Creating Impact und Studiengangsleiter im interdisziplinären Studiengang Code & Context an der Technischen Hochschule Köln (https://coco.study). Der Fokus seiner Arbeit liegt auf der kreativen Entwicklung digitaler Innovationen im Zusammenspiel mit unternehmerischem und gesellschaftlichem Fortschritt. In seiner Forschungsgruppe Interaktive Reality Experiences (https://irex.team) untersucht ein Team aus Informatik, Design und Psychologie, wie die Interaktion mit Digitalen Systemen in Lernarrangements verbessert werden kann.
Als Leiter mehrerer interdisziplinärer Projektkonsortien (ViTAWiN, EPICSAVE) hat Prof. Dr. Schild immersive Medien (VR/AR, User Experience, Serious Games) in der beruflichen Notfallausbildung weiterentwickelt. Das daraus resultierende Trainingssystem wurde im Bundeswettbewerb "Land der Ideen" mit dem "Ausgezeichneten Platz 2017" prämiert und als kommerziell erhältliches System erfolgreich in die Praxis umgesetzt. Zuvor arbeitete Schild als Professor an der Hochschule Hannover, als PostDoc an der HS Bonn-Rhein-Sieg und promovierte über User Experience in stereoskopischen 3D-Spielen an der Universität Duisburg-Essen. 2006 erhielt Prof. Dr. Schild ein Diplom in Mediensystemwissenschaften von der Bauhaus-Universität Weimar. Nach seinem Studium arbeitete auch an industriellen VR-Systemen für Fraunhofer, als Produktmanager für Interaktionsgeräte und war Mitinhaber eines VR-Startups.