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"Während früher vor allem viel körperliche Arbeit nötig war, verbringt ein Landwirt heute mehr Zeit im Büro"

Andrea Hornfischer, Referentin für Verbraucher- und Bildungskommunikation im Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) spricht im Interview u.a. über moderne Bildungsmedien für die "grünen" Berufe, die Vorteile von digitalem Lernen sowie über zukünftige Kompetenzanforderungen in der Landwirtschaft.

"Während früher vor allem viel körperliche Arbeit nötig war, verbringt ein Landwirt heute mehr Zeit im Büro"

Das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) ist eine unabhängige und objektive Informationsquelle für moderne Landwirtschaft. Es bietet Daten, Informationen und Statistiken an – und zwar rund um das Thema Landwirtschaft sowie über angeschlossene Bereiche wie Forst- und Fischereiwirtschaft, Gartenbau, Weinbau und Imkerei.

Das Ziel des BZL ist es, ein besseres Verständnis für moderne Landwirtschaft zu schaffen und so den gesellschaftlichen Dialog über dieses Thema zu fördern. Dabei richtet sich das BZL an eine breite Öffentlichkeit, von Landwirtinnen und Landwirten bis hin zu Institutionen und fördert den Transfer von Theorie und Praxis.

Frau Hornfischer, auf welchen Kanälen bietet das BZL Informationen über die grüne Berufsbildung an?

Das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) bündelt die vielfältigen Informationen zur agrarischen Berufsbildung und anderen bildungsrelevanten Themenbereichen mit dem Bildungsserver Agrar und bietet eigene Bildungsmedien zur beruflichen Bildung an.

Auf den Seiten des Bildungsservers Agrar findet man alle Informationen rund um die Ausbildung zu den 14 Grünen Berufen, zu Fortbildungen in staatlich anerkannten Bildungsgängen, zu Studienmöglichkeiten im Agrarbereich sowie zu aktuellen Rechtsvorschriften in der landwirtschaftlichen Aus- und Fortbildung.

Daneben bietet der Webauftritt ein Berufs- und Fachschulverzeichnis sowie sämtliche Artikel der Fachzeitschrift B&B Agrar. Weiterbildungsmaßnahmen und berufsbezogene Seminare werden aktuell im "Grünen Bildungskatalog gelistet, der Teil des Bildungsservers ist, aber auch über die Adresse www.gruenerbildungskatalog.de direkt zu erreichen ist. Angehende Landwirte finden hier zum Beispiel Seminare zu Sachkundenachweisen. Der Stellenmarkt informiert ebenfalls topaktuell über Jobangebote aus dem grünen Bereich.

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www.bildungsserveragrar.de

Welche Unterrichtsmaterialien sind für Auszubildende in den Grünen Berufen besonders interessant?

Das sind unsere Leittexte, die seit 25 Jahren in der Ausbildung genutzt werden. Mit dieser handlungsorientierten Ausbildungsmethode sollen die Auszubildenden einen Arbeitsauftrag in sechs Schritten durchführen: Informieren – Planen – Entscheiden – Ausführen – Kontrollieren – Bewerten.

Bisher gibt es Leittexte für acht Grüne Berufe (Landwirt/-in und Tierwirt/-in, Forstwirt/-in, Pferdewirt/-in, Fachkraft Agrarservice, Hauswirtschafter/-in, Revierjäger/-in, Winzer/-in) und zu rund 90 verschiedenen Themen, wie Geburt und Aufzucht eines Kalbes, Unkrautregulierung auf einer Ackerfläche oder Tischdekorationen planen und herstellen. Sie sind unter www.leittexte.de kostenlos herunterzuladen, aber auch auf dem Bildungsserver Agrar zu finden. Für das Ausbildungspersonal gibt es Infotexte zur Methodik sowie zum Einsatz der Leittexte.

Wie gehen Sie auf die digitalen Veränderungen ein? Werden BZL-Bildungsmedien auch digitaler?

Ein eindeutiges Ja! Klar möchten Auszubildende die Leittexte auch auf dem Tablet mit in den Stall oder aufs Feld nehmen. Daher bieten wir unsere Leittexte künftig als barrierefreie und beschreibbare PDF-Dokumente an. Mit dem Leittext zur Biodiversität "Planen und Anlegen eines Blühstreifens" aus dem Herbst 2021 ist dies bereits geschehen.

Demnächst möchten wir unsere 15 BZL-Unterrichtsbausteine für die allgemeine Bildung digitalisieren und auf verschiedenen Lernplattformen wie Pearup präsentieren. In der Bildungsmediathek Mundo findet man die Unterrichtsbausteine bereits.

Ab dem Herbst 2022 bieten wir auch Unterrichtsbausteine für die Berufsausbildung zum Landwirt oder zur Landwirtin an. Auch diese werden wir nach und nach didaktisch-digital aufbereiten. Das heißt, es sind modular angelegte Aufgaben, die kurz und flexibel angelegt sind sowie Grundlagen zu aktuellen Themen bieten. Natürlich sind auch Lernerfolgskontrollen geplant. Unser Ziel ist es, die digitalen Aufgaben multimedial aufzubereiten, sprich mit verschiedenen Medien und Tools zu versehen wie Videos, Podcasts, Grafiken, Zuordnungs-Aufgaben mit Hin- und Herschiebe-Technik, Lückentexte und vieles mehr.

Für die angehenden Landwirtinnen und Landwirte bieten wir zur EuroTier 2022 und zur Agritechnica 2023 jeweils ein digitales, fachliches Quiz zur Nutztierhaltung und zum Ackerbau auf dem Bildungsserver Agrar an.

"Über Lohnunternehmen, Maschinenringe und andere Formen der Zusammenarbeit sind grundsätzlich alle Betriebe in der Lage, Nutzen aus der neuen Technikentwicklung zu ziehen."

Welche Vorteile sehen Sie im digitalen Lernen?

Digitales Lernen bietet viele Vorteile. Gerade bei Berufs- und Fachschulen gibt es immer wieder Standortschließungen. Daher wollen wir orts- und zeitunabhängiges Lernen ermöglichen.

Wir sehen die Zukunft im Blended Learning, sprich im systematisch-didaktisch arrangierten Wechsel von Online- und Präsenzlernphasen. Langfristig werden wir unsere Unterrichtsbausteine didaktisch so aufbereiten, dass diese Phasen sich sinnvoll abwechseln. Die Lernangebote können ideal auf die Vorteile von digitalem Lernen - beispielsweise zeitliche Freiheit, interaktive Aufgabenstellungen, individuelle Lerntempobestimmung - sowie auf die Vorteile von Face-to-Face-Lernszenarien - zu denen die unmittelbare Aufnahme von Diskussionen sowie das direkte Feedback auf Fragen gehören - ausgerichtet werden.

Gilt auch für die Grünen Berufe das Prinzip "Lebenslanges Lernen" oder ist man nach der Ausbildung fertig?

Wie die Studie "Arbeitsmarkt Landwirtschaft in Deutschland – aktuelle und zukünftige Herausforderungen an die Berufsbildung" des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zeigt, ist eine kontinuierliche Weiterbildung zu aktuellen Themen notwendig – zumal sich der landwirtschaftliche Arbeitsmarkt ständig an veränderte Rahmenbedingungen anpassen muss. Weiterbildungen werden am häufigsten in den Themengebieten Pflanzenschutz, Tiergesundheit/Tierwohl und berufsspezifischen fachlichen Kenntnissen angeboten. In den meisten Regionen im Bundesgebiet ist ein bedarfsgerechtes Weiterbildungsangebot vorhanden. Dennoch wird auch dieses aus Sicht der Lehrkräfte von den Arbeitskräften nicht in ausreichendem Maß genutzt.

Studie zum Arbeitsmarkt Landwirtschaft in Deutschland

Die berufliche Bildung ist gerade vor dem Hintergrund von demografisch bedingtem Fachkräftemangel sowie zunehmender Automatisierung und Digitalisierung von Arbeitsprozessen von großer Bedeutung. Die Landwirtschaft ist einerseits wegen ihrer Vielzahl an möglichen Unternehmensformen, Betriebsstrukturen und -größen sowie Produktions- und Wirtschaftsverfahren von diesen Entwicklungen auf verschiedene Arten betroffen. Diese Entwicklungen und Herausforderungen wurden in der Studie "Arbeitsmarkt Landwirtschaft in Deutschland – aktuelle und zukünftige Herausforderungen an die Berufsbildung" analysiert.

Weitere Informationen auf www.bmel.de

Welche speziellen Lerninhalte bzw. Kompetenzen sind in der Landwirtschaft zukünftig besonders wichtig?

Der Landwirt wird immer mehr zum Manager. Während früher vor allem viel körperliche Arbeit nötig war, verbringt ein Landwirt heute mehr Zeit mit dem Auswerten von Daten im Büro.

In den Berufs- und Fachschulen erlernen die angehenden Landwirtinnen und Landwirte alle nötigen Kompetenzen in einer engen Verbindung der theoretischen Inhalte mit der praktischen Anwendung in der regionalen Landwirtschaft. Sie eignen sich grundlegende Fachkenntnisse im Bereich der Produktionstechnik, in der Tierhaltung und im Pflanzenbau an. Später in den Fachschulen sollen sie vor allem unternehmerisches Denken und verantwortliches Handeln erlernen - also einen landwirtschaftlichen Betrieb aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu analysieren, zu bewerten und zu führen. Mit dem Erwerb der Ausbildereignung erlernen die Studierenden zudem, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu führen.

Mit der Berufsausbildung und dem Besuch der Fachschule können die Studierenden aber nicht nur auf einem Hof arbeiten, sondern finden auch gute Arbeitsmarktaussichten in der Agrarverwaltung und in den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten landwirtschaftsnahen Dienstleistungsunternehmen.

Melkroboter
Melkroboter sind seit den 1990er Jahren in Deutschland im Einsatz. Landwirten kann durch diese Technologie Arbeit abgenommen werden, die ansonsten sehr zeitintensiv und körperlich anstrengend ist.

Wie weit ist die Digitalisierung in der Landwirtschaft fortgeschritten? 

Die Digitalisierung gehört bereits zum Alltag und ist in allen landwirtschaftlichen Produktionsbereichen verbreitet. Sie steigert die bereits durch die Industrialisierung deutlich verbesserte Effizienz weiter: Ein Landwirt alleine kann heutzutage über 140 Menschen "ernähren". Zum Vergleich: 1950 waren es nur 10 Menschen.

Die Betriebe nutzen sehr gerne die neuen Technologien, da sie Kosten, Zeit und Ressourcen sparen. Ein Beispiel: Melkroboter sind auf etwa 30 Prozent aller Milchviehbetriebe vorhanden. Wenn ein Ackerbauer oder eine Ackerbäuerin sich keine eigenen Hightech-Maschinen leisten können, leihen sie diese Geräte. Über Lohnunternehmen, Maschinenringe und andere Formen der Zusammenarbeit sind grundsätzlich alle Betriebe in der Lage, Nutzen aus der neuen Technikentwicklung zu ziehen. 

Dank moderner Informations- und Kommunikationstechnologien erhöht die Landtechnik die Genauigkeit und Effizienz des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten. Heute kann man dank der Technik jeden Quadratmeter nach Bedarf düngen und bearbeiten. Damit ist auch eine Verbesserung der Produktqualität und der Qualitätssicherung verbunden.

Früher übliche harte körperliche Arbeit wird durch Hightech erleichtert oder ersetzt. Durch den zielgerichteten und punktgenauen Einsatz von Betriebsmitteln, wie Dünge- und Pflanzenschutzmittel aber auch Kraftstoff, werden Ressourcen geschont. Um zwei Beispiele zu nennen: Moderne Pflanzenschutzgeräte sind heute vielfach mit elektronisch gesteuerten Funktionen ausgestattet und arbeiten mit Satellitenortung. Bei der Düsentechnik bei Pflanzenschutzmittelspritzen ist in den letzten Jahren erhebliche Entwicklungsarbeit geleistet worden. So kann man jede Düse einzeln abstellen – von der Fahrerkabine im Trecker aus. Ähnliche elektronisch gesteuerte und ressourcenschonende Techniken haben auch bei der Ausbringung von Düngemittel Einzug in die Landwirtschaft gefunden.

Frau Hornfischer, vielen Dank für das Gespräch!