Interview zur Ausbildung von Industriekaufleuten bei der VETTER Krantechnik GmbH
mit Sabrina Muhlack, Ausbildungsverantwortliche und Andreas Weigel, Projektkoordinator Stabsstelle Digitale Transformation bei der VETTER
Die VETTER Krantechnik GmbH ist ein führender europäischer Hersteller von Schwenkkranen, Kransystemen und Lastwendegeräten mit einem umfangreichen Produkt- und Leistungsangebot. Im Kranwerk in Haiger wird mit modernster Fertigungstechnologie und einem erfahrenen Mitarbeiterstamm für den Weltmarkt produziert.

Frau Muhlack, Ausbildungsverantwortliche und Herr Weigel, Projektkoordinator in der Stabsstelle Digitale Transformation bei VETTER Krantechnik GmbH waren bereit, uns Einblick in die Ausbildung 4.0 zu bieten und speziell Fragen zur Ausbildung zum Industriekaufmann/ zur Industriekauffrau im Betrieb zu beantworten.

Frau Muhlack, in welchen Berufen bilden Sie aktuell bei der VETTER Krantechnik GmbH aus?
Wir haben aktuell unterschiedliche Ausbildungsstellen ausgeschrieben. Neben den kaufmännischen Berufen bilden wir in gewerblichen Berufen aus, z. B. Industrieelektriker/ -innen, Konstruktionsmechaniker/ -innen oder übergreifend gewerblich-kaufmännisch Fachkräfte für Lagerlogistik. In den kaufmännischen Berufen sind es die Industriekaufleute oder seit neuestem die Kaufleute für Digitalisierungsmanagement. Der letztgenannte Beruf wurde ja kürzlich neu geordnet und war früher der Informatikkaufmann/ die Informatikkaufrau. Daneben ist VETTER als Arbeitgeber offen für Initiativen ihrer Mitarbeiter und fördert die berufliche Weiterbildung, wie z. B. ein duales Studium.
Bieten Sie auch Auslandspraktika an?
Auszubildende haben die Möglichkeit, ein dreiwöchiges Auslandspraktikum zu absolvieren. Dieses wird überwiegend über die Berufsschule organisiert. Im Ausland z. B. in England, können sie ihre Sprachkenntnisse erweitern und internationale Erfahrungen sammeln. Außerdem können angehende Industriekaufleute die ausbildungsbegleitende Zusatzqualifikation „Europakaufmann/ Europakauffrau“ oder „Asienkaufmann/-frau“ über das Berufskolleg erwerben. VETTER ist neben dem deutschsprachigen Raum u. a. in Polen, Spanien oder Österreich tätig.

Herr Weigel, wie weit ist die Automatisierung und Digitalisierung bei Ihnen im Unternehmen fortgeschritten?
Wir haben vor knapp vier Jahren die Stabsstelle „Digitale Transformation“ bei VETTER gegründet, die direkt der Geschäftsführung unterstellt ist. Ich habe die große Freude, dass ich diese seitdem ausfüllen darf. Mittlerweile gibt es eine weitere Kollegin, die sich in den letzten Zügen ihres Studiums befindet, sodass wir diese Stabsstelle zeitnah verstärken werden. Wir sind mit ca. 240 Mitarbeitern ein mittelständisches Unternehmen. Natürlich müssen wir hinsichtlich der Digitalisierung die Baseline sehen, da wir nicht über die finanziellen Mittel und Manpower verfügen, wie es bei einem Weltkonzern der Fall ist. Also müssen wir genauer hinschauen, wo wir investieren wollen und uns wohlüberlegt die Frage stellen, welche Maßnahmen welchen Benefit am Ende des Tages versprechen. Wir haben uns vor ca. drei Jahren mit dem Forschungsprojekt aSTAR auf den Weg gemacht, die Prozesse an unseren Krananlagen – also Wartungs- und Montageprozesse – mittels Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) zu simulieren. VR und AR kann man vielfältig als Methode einsetzen, z. B. damit der Konstrukteur im Vorhinein die Montageschritte seiner Konstruktion bedenkt und Monteure oder Servicemechaniker, die später am Kran arbeiten, vorher ihre Arbeiten virtuell simulieren können.
Welche speziellen Lerninhalte bzw. Kompetenzen sind in Ihrem Betrieb besonders wichtig?
Zum einen ist uns bei den Auszubildenden die Kommunikationsfähigkeit sehr wichtig. Dies ist etwas, was über die Abteilungsgrenzen hinweg funktionieren sollte. Als mittelständisches Unternehmen arbeiten wir in einem Umfeld, das sich gut kennt und in dem viel miteinander abgestimmt werden sollte. Es gibt nur äußerst wenig komplett durchdefinierte Prozesse, die an Schnittstellen abrupt enden, sondern es ist vielmehr ein fließender Übergang von einem Arbeitsprozess in den nächsten gefragt. Außerdem sollte bei den Auszubildenden eine hohe Lernbereitschaft hinsichtlich neuer Technologien und Programme vorhanden sein. Aktuell vereinheitlichen wir verschiedene Softwarelösungen, um so die Prozesse zunehmend zu digitalisieren. Hier sollte eine gewisse Bereitschaft dafür vorhanden sein, auch mal Arbeitsprozesse neu zu denken. Das Schöne ist, dass wir bei VETTER den Mitarbeitern nicht neue Prozesse aufstülpen wollen, sondern dass wir im Dialog die Softwarelösungen optimal an die Mitarbeiter in den Abteilungen anpassen wollen. Auch hier sollte eine gewisse Fehlerbereitschaft vorhanden sein. Wir sehen Fehler als Chance daraus zu lernen, und das ein Leben lang.

Stellen sich neue Anforderungen an die Berufsausbildung in Ihrem Betrieb durch Wirtschaft 4.0? Haben sich die Ausbildungsabläufe verändert?
Früher waren die Azubi-Plätze EDV-technisch noch nicht so gut ausgestattet wie es heute der Fall ist. Wir haben uns im Laufe der Jahre auch den neuen IT-Hardware- und Softwareanforderungen angepasst. In jeder Abteilung ist mittlerweile ein eigener, gut ausgestatteter Arbeitsplatz für die Auszubildenden vorhanden. Die Anforderungen an die Berufsausbildung haben sich auch dahingehend verändert, dass kaum noch Aufgaben ohne PC vorhanden sind, wie es früher der Fall war, als beispielsweise noch Papiere abgeheftet wurden. Heutzutage werden vielfältige Software-Programme verwendet. Während der Ausbildung lernen Auszubildende ca. 15-20 unterschiedliche Software-Produkte für unterschiedlichste Aufgaben kennen.
Welche Auswirkungen haben die neuen Anforderungen auf die in der Ausbildung eingesetzten Lernmethoden?
Die Auszubildenden erhalten über verschiedene Software-Möglichkeiten Einblicke in unsere Produktion. Wir erstellen unsere Konstruktionen im CAD-Bereich. Hierüber können sich Auszubildende Bauteile digital anschauen. Das heißt, die Auszubildenden müssen dafür nicht mehr extra in den Betrieb kommen, um sich jedes Bauteil anzuschauen und wir können ein gewisses Verständnis für die Produkte schaffen. Die Kommunikation und das Distance Learning im Homeoffice hat die Situation in den letzten beiden Jahren verändert.

Welche Rolle spielen in der Ausbildung in Ihrem Betrieb neue Medien, z. B. Social Media, Augmented Reality oder Virtual Reality?
Bei Social Media sind wir noch nicht so aktiv, weil es doch recht schnelllebig ist und hier jederzeit, z. B. auch am Wochenende immer schnell reagiert werden muss. Wir setzen aktuell den Fokus auf erweiterte Realitäten, wie Augmented Reality oder Virtual Reality, um Ausbildungsinhalte oder Produktinhalte für die Firma zu schaffen. Geplant ist auch die Simulation einer Krananlage mit Augmented Reality, um ein Gefühl für die Abmaße zu erhalten. In den Bereichen Krantechnik oder Kranservice ist der kaufmännische Auszubildende selten beim Kunden draußen. Diesen Auszubildenden wird mit dem Projekt aSTAR mittels VR und AR ein neues Verständnis für die Produkte und den Arbeitsprozess geschaffen.
Wie werden Industriekaufleute bei Ihnen ausgebildet?
Die Auszubildenden durchlaufen alle Abteilungen der VETTER-Unternehmensgruppe. Dabei lernen sie vielfältige Bereiche kennen, denn sie werden z. B. in den Bereichen Betrieb, Versand, Arbeitsvorbereitung, Einkauf, Verkauf, Import und Export oder Auftragsmanagement eingesetzt. Darüber hinaus sind sie im Kranservice, in der Buchhaltung, im Personal- und im Marketingbereich tätig. In jeder Abteilung gibt es einen Ausbildungsbeauftragten, der für die Auszubildenden zuständig ist. Zum Ende der Ausbildung wird das Einsatzgebiet festgelegt. Sofern alles passt, können Industriekaufleute im Anschluss in ihrem gewünschten Gebiet eingesetzt werden. Wir bilden ausschließlich für unseren eigenen Bedarf aus und eine Übernahme ist in der Regel bei VETTER vorgesehen.

Wie gehen Sie bei der Planung der Ausbildung damit um, dass zunehmend mehr Fachwissen vermittelt werden muss?
In der Produktion gibt es für gewerblich-technische Auszubildende überbetriebliche Lernwerkstätten. Auszubildende in den kaufmännischen Berufen werden oftmals direkt in den normalen Arbeitsablauf integriert. Zum Ausbildungsstart gibt es im kaufmännischen Bereich je nach Bedarf individuelle interne und externe Schulungen, wie z. B. Produktschulungen oder Telefontrainings.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Berufsschulen?
Aufgrund des Standort-Wechsels im Februar 2021 von Siegen nach Haiger gibt es mit dem Bundeslandwechsel auch einen Berufsschulwechsel. Hier werden aktuell neue Kontakte zu den Berufsschulen in Hessen aufgebaut. Die fachlichen Ausbilder haben oftmals auch Kontakt zu den Lehrern in den Berufsschulen.

Wo zeigen sich aus Ihrer Sicht die größten Probleme in der Ausbildung 4.0? Wie kommen Ihre Auszubildenden mit den neuen Anforderungen klar?
Aufgrund der digitalen Transformation wird das lebenslange Lernen immer wichtiger. Diese Haltung sollte in Zukunft nicht nur in die Köpfe der Azubis, sondern in die der ganzen Gesellschaft. Dieser Sinneswandel vollzieht sich gerade, wobei zu bedenken ist, dass die Auszubildenden selbst als sogenannte „Digital Natives“ zumeist mit Handys aufgewachsen sind und die Technik für sie selbstverständlich geworden ist. Es gibt sowohl in den Betrieben als auch in der Gesellschaft mittlerweile hohe Anforderungen an Menschen und Technik, die es zu erfüllen gilt. Nun gilt es, sich diesen neuen Anforderungen an die Digitalisierung kontinuierlich anzupassen.
Frau Muhlack, Herr Weigel, vielen Dank für das interessante Gespräch!