Auslandsaufenthalte in der Ausbildung realisieren
Auszubildende entwickeln immer häufiger den Wunsch, einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland zu verbringen. Aber auch für Ausbildungsbetriebe haben Auslandsaufenthalte von Azubis viele Vorteile: ihr Ausbildungsangebot wird attraktiver und die Auszubildenden erhalten die Möglichkeit, wichtige Kernkompetenzen wie interkulturelle Kompetenz, Fremdsprachenkenntnisse und Selbstständigkeit zu entwickeln.

Der Beitrag "Auslandsaufenthalte in der Ausbildung realisieren" soll Sie dabei unterstützen, einen Auslandsaufenthalt in das Ausbildungsangebot ihres Unternehmens zu integrieren. Die folgenden Schritte helfen Ihnen dabei, einen Auslandsaufenthalt zu planen und diesen effektiv vor- und nachzubereiten.
"Das Reisen bildet sehr; es entwöhnt von allen Vorurteilen des Volkes, des Glaubens, der Familie, der Erziehung. Es gibt den humanen duldsamen Sinn, den allgemeinen Charakter. Wer dagegen nichts sah, was ihn in der Sphäre, worin er lebt, umgibt, hält leicht alles für notwendig und einzig in der Welt, weil es in seiner Heimat dafür gilt."
Immanuel Kant (1724-1804)
2020 hat Deutschland gemeinsam mit den anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine Empfehlung des Rates zur beruflichen Aus- und Weiterbildung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz beschlossen. Ein verbindliches Ziel der Empfehlung gibt vor, dass bis zum Jahr 2025 mindestens acht Prozent der Auszubildenden in Europa Auslandserfahrung im Rahmen ihrer Berufsausbildung sammeln sollen.
Die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Auslandsaufenthalt ist dabei vor allem eine rechtzeitige und gründliche Planung.

Beratungsstelle kontaktieren
Wenn Sie noch keine Vorstellung davon haben, wie ein Auslandspraktikum in ihr Ausbildungsangebot integriert werden kann, können Sie sich kostenlos beraten lassen. Die Beratung unterstützt Sie bei der Planung und Durchführung des Auslandsaufenthaltes inklusive aller wichtigen Aspekte - wie z.B. der Suche nach einem geeigneten Partnerunternehmen im Ausland, der Fördermittelsuche und -beantragung usw.
Folgende Institutionen bieten diesbezüglich Beratungsangebote an:

Vor der Beratung ist es sinnvoll, sich über bestimmte Aspekte Gedanken zu machen, damit sie möglichst zielführend ist. Beispielfragen könnten sein:
- Welche Länder/Zielsprachen sind für den Ausbildungsberuf besonders gut geeignet?
- Wie lange soll der Auslandsaufenthalt dauern?
- Welche Bereiche sollte das Partnerunternehmen auf jeden Fall abdecken?
Tipp:
Erasmus+ fördert auch Auslandsaufenthalte für Ausbilder und Ausbilderinnen! Nutzen Sie die Möglichkeit, sich zu qualifizieren, indem Sie:
- sich international mit Fachkolleginnen und -kollegen zu aktuellen Bildungsfragen und gesellschaftlichen Entwicklungen austauschen,
- neue Impulse und Inspiration für Ihr Berufsfeld gewinnen,
- Ihre Fähigkeiten und Kenntnisse erweitern,
- andere Berufsbildungssysteme kennenlernen und
- interkulturelle Kompetenzen entwickeln.
Alle weiteren Informationen finden Sie auf der Webseite der Nationalen Agentur:
Land und Partnerunternehmen finden

Grundsätzlich sind Auslandspraktika in jedem Land der Welt denkbar. Eine Förderung, die einen Teil der anfallenden Kosten abdeckt, ist sowohl innerhalb Europas, als auch weltweit möglich. Selbstverständlich können Sie sich zuerst nach ihren eigenen Niederlassungen im Ausland richten oder nach einem anderen Partnerunternehmen, mit dem Sie bereits in Kontakt stehen. Falls Sie keine festen Niederlassungen haben und mit keinem Partnerunternehmen im Ausland kooperieren, haben Sie oder andere Personen im Unternehmen möglicherweise bereits selbst Auslandserfahrung gesammelt und können ggf. auf Kontakte zurückgreifen. Zusätzlich könnte es sein, dass Sie mit dem Auslandsaufenthalt ein bestimmtes Lernziel verfolgen und dementsprechend ein bestimmtes Land geeignet ist, bspw. um spezielle Fertigkeiten oder eine für den Ausbildungsberuf bedeutsame Sprache zu erlernen.
Denken Sie zusätzlich daran, die Entscheidung für ein Land mit ihren Auszubildenden persönlich abzuklären und, wenn möglich, auf deren Wünsche einzugehen. Auch hierbei können Sie durch die genannten Beratungsstellen Unterstützung erhalten.
Vorbereitungen treffen

Nachdem Sie gemeinsam mit dem Auszubildenden ein passendes Land festgelegt haben, können Sie überlegen, zu welchem Zeitpunkt der Ausbildung ein Auslandsaufenthalt sinnvoll wäre. Sie kennen den Ablauf Ihres Ausbildungsangebotes am besten und können daher am ehesten einschätzen, welcher Zeitraum in Frage kommen würde. Bedenken Sie aber:
- ganz am Anfang der Ausbildung wird der Auszubildende noch wenig Erfahrung haben und somit mit der Situation wahrscheinlich überfordert sein
- am Ende der Ausbildung hingegen wird der Lernaufwand für die Abschlussprüfung anstehen
- empfehlenswert ist im Allgemeinen der Zeitraum nach der Zwischenprüfung und vor der Vorbereitung zur Abschlussprüfung.
Laut Berufsbildungsgesetz (§ 2 Abs. 3 BBiG) können Auszubildende bis zu einem Viertel der Ausbildungszeit im Ausland verbringen, wenn dies dem Ausbildungsziel dient. Dennoch benötigen sie die Zustimmung des Unternehmens und der Berufsschule. Dies bedeutet, dass ein neunmonatiger Auslandsaufenthalt am Stück in einer dreijährigen Ausbildung möglich sein kann. Alternativ kann die Maximaldauer auch in mehrere kürzere Auslandspraktika aufgeteilt werden, falls das für den Ausbildungsverlauf sinnvoller ist. Ein üblicher Zeitraum für einen Auslandsaufenthalt von Auszubildenden sind vier bis sechs Wochen.
Berücksichtigt werden sollte bei der Wahl von Zeitraum und Dauer auch, dass sich Azubis für die Zeit im Ausland, außer wenn diese in den Schulferien liegt, von der Berufsschule freistellen lassen müssen. Hier gilt:
- bei Blockunterricht kann dies umgangen werden, indem ein Zeitraum außerhalb der Blöcke gewählt wird
- während des Aufenthaltes muss keine Berufsschule besucht werden, der ggf. verpasste Lernstoff muss aber nachgeholt werden
- das Berichtsheft muss während des Zeitraums weitergeführt werden
- zusätzlich sollte der Europass Mobilität genutzt werden
Was ist der Europass Mobilität?
Der Europass Mobilität ist ein Online-Dokument (ca. 4 Seiten, in verschiedenen Sprachen ausfüllbar), welches von der Europäischen Union bereitgestellt wird und dazu dient, die im Ausland erworbenen Lernergebnisse der Auszubildenden konkret und ausführlich zu dokumentieren.
Der Europass Mobilität:

Welche Kosten kommen auf Ihr Unternehmen zu?
Während eines Auslandsaufenthaltes läuft der Ausbildungsvertrag mit der normalen Vergütung weiter, darüber hinaus ist das Unternehmen nicht verpflichtet, weitere Kosten zu tragen. Für die Zahlung von Reise-, Unterbringungs- und Lebenshaltungskosten sind die Auszubildenden selbst zuständig, das Unternehmen kann aber unterstützen. In der Regel können die Kosten jedoch teilweise oder ganz von Förderprogrammen wie Erasmus+ getragen werden. Für Informationen zu passenden Fördermittelangeboten kontaktieren Sie am besten eine der oben genannten Beratungsplattformen.
Falls der Auszubildende über Erasmus+ gefördert wird, beinhaltet die Förderung auch einen Versicherungsschutz (Kranken-, Unfall- sowie private und den Arbeitsplatz betreffende Haftpflichtversicherung). Ist dies nicht der Fall, können bspw. Kombi-Angebote von verschiedenen Anbietern genutzt werden. Folgende Versicherungen sollten vor Abreise abgeschlossen werden:
Checkliste Versicherungen
Verpflichtend:
Kranken- und Sozialversicherung
- im europäischen Ausland:
- läuft weiter
- muss mit Formular (A1) von der Krankenkasse bestätigt werden - im außereuropäischen Ausland:
- zusätzliche Krankenversicherung muss abgeschlossen werden --> oft über eigene Krankenkasse (geringer Aufpreis)
Haftpflichtversicherung am Arbeitsplatz
- durch Auszubildende/n, Unternehmen oder Gastunternehmen
- Sie als Unternehmen sind zur Überprüfung des Bestehens verpflichtet!
Unfallversicherung
- durch Unternehmen oder Berufsschule
Freiwillig, aber empfohlen:
- Zusatzversicherung Auslandskrankenrücktransport
- Private Haftpflichtversicherung für Auszubildende/n
- Private Unfallversicherung
Durchführung des Auslandsaufenthalts
Sie haben gemeinsam mit Ihrem Auszubildenden ein Land ausgewählt und ein Partnerunternehmen gefunden. Die Berufsschule hat den Auszubildenden freigestellt, die Finanzierung ist gesichert und Versicherungen sind abgeschlossen. Bevor Sie den Azubi auf die spannende und lehrreiche Reise schicken, ist es sinnvoll, ihm zusätzlich einen Einblick in die Kultur des Gastlandes zu geben. Dazu gehört es auch, über mögliche Schwierigkeiten, die während des Aufenthaltes anstehen könnten, zu sprechen. Hier kann sich der Auszubildende über Internetseiten und Lehrbücher informieren, oder ein passendes interkulturelles Kompetenztraining absolvieren (siehe: Interkulturelle Kompetenz entwickeln).
Der Kulturschock im Ausland

Obergs Vier-Phasen-Modell der Anpassung
Der Anthropologe Kalervo Oberg entwickelte ein Phasenmodell für den Verlauf der Anpassung einer Person an eine neue kulturelle Umgebung.3 Für Azubis und Ausbilder/innen kann es hilfreich sein, sich mit den möglichen Phasen zu beschäftigen, um besser mit diesen umgehen zu können.


Abhängig von der Dauer des Auslandsaufenthaltes, den individuellen Eigenschaften der Auszubildenden und der Intensität der Vorbereitungen auf den Auslandsaufenthalt in Form von Informationen bzw. Trainings, können die Phasen eine unterschiedliche Dauer in Anspruch nehmen. Die Steigerung der interkulturellen Kompetenz durch ein Training vorab kann zwar Ressourcen des Unternehmens in Anspruch nehmen, ist aber für Auszubildende - und somit auch für Ihr Unternehmen - im Gastland sehr gewinnbringend.
Nach einer guten Vorbereitung steht einem erfolgreichen Auslandsaufenthalt nichts mehr im Weg. Geben Sie Ihrem Auszubildenden mit auf dem Weg, dass Sie jederzeit zur Verfügung stehen, wenn Probleme auftreten sollten. Bestenfalls sollte dem Azubi während des Auslandsaufenthaltes ein Ansprechpartner im Heimatbetrieb zur Verfügung gestellt werden. Je nach den Bedürfnissen und der Selbstständigkeit des Auszubildenden sowie der Ressourcen des Betriebes könnte dazu z.B. ein wöchentlicher Telefontermin oder ein regelmäßiger Austausch per Kurznachricht bzw. E-Mail vereinbart werden. Der jeweilige Ansprechpartner sollte ebenfalls die kulturellen Besonderheiten der Zielregion durch eigene Erfahrungen oder interkulturelles Training kennen und hier beratend zur Seite stehen können.
Erkundigen Sie sich während des Aufenthaltes nach dem Befinden und Fortschritt Ihres Azubis, um Ihr Interesse zu zeigen und bei Problemen rechtzeitig unterstützen zu können.
Rückkehr ins Unternehmen

Der Auszubildende hat die Zeit im Ausland gemeistert und wird bald in sein Unternehmen zurückkehren. Auch bei der Rückkehr in das eigene Land kann es zu einem sogenannten "umgekehrten" bzw. "Eigen-Kulturschock" kommen. Der Azubi hat sich an die Gegebenheiten im Gastland gewöhnt und dementsprechend kann es passieren, dass ihm die Vorgänge in Deutschland, wie bspw. die Pausengestaltung oder die Kommunikation mit dem Team, erst einmal fremd vorkommen und er sich neu einfinden muss. Machen Sie ihm den Einstieg so leicht wie möglich und seien Sie verständnisvoll.
Auch für Sie ist es sinnvoll, sich über das Gastland zu informieren!
So können Sie besser verstehen, was in Ihrem Auszubildenden nach der Rückkehr vor sich gehen könnte. Kommunizieren Sie offen und ehrlich, wenn Schwierigkeiten auftreten und geben Sie Ihrem Azubi Zeit, sich wieder an Ihr Unternehmen und Deutschland zu gewöhnen.
Damit Sie und Ihr Auszubildender bestmöglich von dem Auslandsaufenthalt profitieren, sehen Sie sich am besten das ausgefüllte Berichtsheft sowie den Europass-Mobilität in Ruhe an und sprechen sie über die dort aufgeführten Tätigkeiten und Kompetenzen. So können Sie erfahren, welches zusätzliche Wissen und welche Fähigkeiten sich Ihr Auszubildender im Gastunternehmen aneignen konnte und ihm möglicherweise dementsprechende Aufgaben geben (siehe Auszubildende motivieren --> Die passende Aufgabe geben). Nutzen Sie das neu gewonnene Potential!
Zusammenfassung

Für ihren Betrieb kann es sinnvoll sein, einen Auslandsaufenthalt in ihr Ausbildungsangebot zu integrieren, denn Sie gewinnen potentielle Mitarbeitende mit Fremdsprachenkenntnissen, internationalen Erfahrungen, interkultureller Kompetenz und gesteigerter Selbstständigkeit. Sie können die Attraktivität ihres Ausbildungsangebotes erhöhen (siehe: Ausbildungsmarketing) neue bzw. andere Arbeitstechniken kennenlernen und von dem Kontakt ins Ausland profitieren. Machen Sie sich Gedanken darüber, welches Land infrage kommt und welcher Zeitpunkt während der Ausbildung für einen Auslandsaufenthalt gut geeignet wäre. Achten Sie darauf, alle Fragen bzgl. Berufsschule, Finanzierung und Versicherung zu berücksichtigen. Bereiten Sie Ihren Auszubildenden ausreichend auf den Auslandsaufenthalt vor und denken Sie daran, dass auch die Rückkehr ein Teil der Erfahrung ist. "Auslandsaufenthalte in der Ausbildung realisieren" soll Sie dabei unterstützen, einen Auslandsaufenthalt erfolgreich und effektiv für Sie und Ihre Auszubildenden in ihr Ausbildungsangebot zu integrieren. Seien Sie mutig und lassen Sie sich diese Chance nicht entgehen, in Ihre Auszubildenden sowie die Attraktivität ihres Ausbildungsangebotes zu investieren.