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Nachhaltigkeit lernen durch Systemische Visualisierungen

Neue Methode unterstützt Ausbildende dabei, mit Widersprüchen umzugehen

12.12.2017

Wie lassen sich betriebliche Routinen mit der Idee der nachhaltigen Entwicklung verknüpfen? Diese Frage wurde zusammen mit Ausbildenden der Transport- und Logistikbranche im Rahmen des 3. "Pro-DEENLA"-Qualifizierungsworkshops mit Hilfe der Methode der "Systemischen Visualisierung" diskutiert.

Nachhaltigkeit lernen durch Systemische Visualisierungen

Die Anforderungen an berufliches Handeln befinden sich im Wandel. So zeichnen sich (nicht nur) kaufmännische Tätigkeiten zunehmend dadurch aus, neben ökonomischen auch ökologische und soziale Anforderungen zu berücksichtigen. Denn auf Dauer ist kaufmännisches Handeln nur dann erfolgreich, wenn dies ein sozial gerechtes Leben in einer intakten Umwelt zum Ziel hat. Entscheidungsfindungen werden durch diesen Anspruch nicht nur komplexer. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zudem herausgefordert, mit Widersprüchen zwischen den unterschiedlichen Anforderungen umgehen zu können. Vor diesem Hintergrund erprobten Ausbilderinnen und Ausbilder der Praxispartnerbetriebe des BIBB-Modellversuchs "Pro-DEENLA" im Rahmen des 3. Qualifizierungsworkshops die von Prof. Dr. Georg Müller-Christ (Fachgebiet Nachhaltiges Management/Universität Bremen) mitbegründete und moderierte Methode der "Systemischen Visualisierung" - einer Methode zur anschaulichen Darstellung komplexer Sachverhalte. Ziel der Anwendung dieser Methode ist es, durch eine Übersetzung von einer Text- in eine Bildsprache, nicht darstellbare Komplexität in darstellbare Komplexität zu überführen.

Ablauf einer "Systemischen Visualisierung":

  1. Der zu thematisierende Inhalt wird in maximal 6 - 7 relevante Elemente zerlegt.
  2. Das Bild wird Schritt für Schritt aufgebaut: Begonnen wird mit wenigen Elementen, die sukzessive um weitere Elemente erweitert werden. In diesem Prozess entsteht ein Raumbild. Zugleich werden die relevanten Inhalte verbalisiert.
  3. Die Tiefe des Raums wird bewusst genutzt: Auf zweidimensionalen Bildern werden die Elemente zumeist nebeneinander von links nach rechts positioniert, um von der Tiefe des Raums Gebrauch zu machen.
  4. Elemente stehen im Vorder- oder Hintergrund, sie können nebeneinander stehen und können in verschiedenen Winkeln einander zu- oder abgewandt sein.
  5. Die möglichen Positionierungen werden zumeist folgendermaßen verstanden:
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a) Sind die Elemente einander zugewandt, sind sie sehr stark auf einander bezogen. Sie stehen im Konflikt miteinander oder haben ein bestimmtes Anliegen zu klären.

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b) Ist nur ein Element dem anderen zugewandt, handelt es sich um eine einseitige Beziehung: A richtet sich nach B aus, B richtet sich nach einem anderen Element aus.

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c) Die Hauptblickrichtung zeigt an, auf wen oder was sich ein Element bezieht. Dabei kann es andere Elemente im Blickfeld haben, sie aber nur am Rande wahrnehmen.

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d) Je größer der Abstand zwischen den Elementen, desto größer ist auch die Perspektive der Elemente. Großer Abstand kann eine schwache Beziehung andeuten, muss es aber nicht.

Die Ausbilderinnen und Ausbilder der "Pro-DEENLA"-Praxispartnerbetriebe haben im Rahmen des Workshops unter anderem das komplexe Beziehungsgeflecht der (nachhaltig ausgerichteten) Transport- und Logistikbranche sowie ihre persönliche Nachhaltigkeitswahrnehmung visualisiert. Dabei wurde herausgearbeitet, dass Verlader in aller Regel versuchen, einerseits den Transportweg zu ihrem Logistikdienstleister durch technische Effizienz zu optimieren. Andererseits streben Logistikdienstleister eine finanzielle Effizienz an, indem sie ihre Frachtführer für die Auslieferung der Ware möglichst gering vergüten. Dies führe dazu, dass die Frachtführer gezwungen sind, eine zeitliche Effizienz durch Flexibilität zu erreichen. Die Visualisierung dieses "vertrackten" Beziehungsgeflechts hat verdeutlicht, dass die Transport- und Logistikbranche einem enormen technischen, finanziellen und zeitlichen Effizienzdruck ausgesetzt ist, der oftmals im Widerspruch zur Realisierung eines sozial gerechten Lebens in einer intakten Umwelt steht. In der Diskussion merkten die Ausbilderinnen und Ausbilder dazu an, dass eine Ausweitung betrieblicher Nachhaltigkeit in der Regel über betriebswirtschaftlich-kaufmännische Argumentationsfiguren gerechtfertigt werden müsse. Vor diesem Hintergrund plädierten sie dafür, betriebliche Nachhaltigkeit nicht als Belastung, sondern als Kern betrieblicher Zukunftsfähigkeit aufzufassen. Denn beispielsweise stelle sich schon heute die Frage, warum der Ausbildungsberuf der Berufskraftfahrerin bzw. des Berufskraftfahrers nicht mehr attraktiv genug ist. Dementsprechend müssten betriebliche "Reflexionsräume" - wie die Durchführung der "Systemischen Visualisierung" - geschaffen werden, um die sozialen und ökologischen Auswirkungen des eigenen Handelns (nicht nur) im Betrieb hinterfragen zu können.

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Die Erprobung der "Systemischen Visualisierung" stellte für die Ausbilderinnen und Ausbilder eine erkenntnisreiche Erfahrung dar, aus der sich (weitere) komplexe und interessante Fragestellungen ergeben haben. Ausdrücklich wurde seitens der Ausbildenden hervorgehoben, dass zur Anwendung dieser Methode kein spezifisches Fachwissen erforderlich sei, sich die Methode gleichzeitig jedoch in besonderer Weise dazu eigne, Fachwissen aktivierend aufzubereiten. So verwundert es nicht, dass unter den Ausbildenden Einigkeit darüber bestand, die "Systemische Visualisierung" zusammen mit ihren Auszubildenden im betrieblichen Kontext zu erproben.