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Nachhaltiges Wirtschaften im Handel: Neues Seminarkonzept bewährt sich in der Praxis

20.02.2018

Ausbilderinnen und Ausbilder mittelständischer Firmen aus Sachsen-Anhalt nahmen Ende 2017 an einer Fortbildung zur nachhaltigen Entwicklung teil. Der Modellversuch entwickelte dafür ein Curriculum mit nachhaltigkeitsbezogenen Handlungsfeldern und problemorientierten Lernsituationen.

Nachhaltiges Wirtschaften im Handel: Neues Seminarkonzept bewährt sich in der Praxis

Das modulare Weiterbildungskonzept richtet sich an Unternehmen des Einzel-, Groß- und Außenhandels sowie des Dienstleistungsgewerbes. Es orientiert sich am Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Der DNK ist ein international anerkannter Berichtsstandard im Rahmen der CSR-Berichtspflicht und besonders für die nichtfinanzielle Berichterstattung von KMU geeignet. Auch nichtberichtspflichtige Unternehmen finden in ihm einen guten Orientierungsrahmen für nachhaltiges Wirtschaften. Denn künftig wird Nachhaltigkeit immer wichtiger, um wettbewerbsfähig zu sein.

Das Curriculum gliedert sich in die vier Module des DNK mit seinen 20 Kriterien. Vorangestellt ist zusätzlich ein einführendes Kapitel zum Nachhaltigkeitsbegriff und dem globalen Bezug:

Modul E - Einführung (Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030)
Modul 1 - Strategie (Wesentlichkeit, Vision, Ziele)
Modul 2 - Prozessmanagement (Regeln und Strukturen)
Modul 3 - Umwelt (ökologische Aspekte)
Modul 4 - Gesellschaft (soziale Aspekte)

Es war eine Herausforderung, die komplexen einzelnen Module in vermittelbare Lehreinheiten zu bringen und dabei einen Bezug zum Ausbildungsrahmenplan und zur Praxis herzustellen. Grundlage des Curriculums sind die Ziele zum Erlangen nachhaltigkeitsbezogener Handlungskompetenzen in beruflichen Handlungssituationen nach dem Modell Hahne/Kutt 2003, das sechs Kernkompetenzen unterscheidet:

  • Systematisches, vernetztes Denken, Verfügbarkeit von berufsübergreifendem Wissen und seine Anwendung in konkreten Situationen
  • Fähigkeit im Umgang mit Komplexität, die prinzipiell durch das Zusammenwirken ökonomischer, ökologischer und soziokultureller Komponenten bei nachhaltigkeitsbezogenem Verhalten besteht
  • Verstehen kreislaufwirtschaftlicher Strukturen und Lebenszyklen
  • Soziale Sensibilität, interkulturelle Kompetenz und Bereitschaft zu globaler Perspektive individuellen Handelns
  • Kommunikations- und Beratungskompetenz zur Gestaltung von Netzwerken sowie Fähigkeit zum konstruktiven Umgang mit Konflikten und scheinbaren Widersprüchen
  • Werteorientierung im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung, wie Wirtschaftsethik, Solidarität, Toleranz, Verantwortungsbewusstsein.
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Modell für Problemstellungen
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Das Weiterbildungskonzept hat den Anspruch, die Inhalte möglichst praxisnah und lebendig zu vermitteln. Gut geeignet ist das Modell für Problemlösungen - von der Abstraktion branchenspezifischer Schlüsselprobleme über ein konkretes Beispiel hin zur eigenen Situation. Dabei geht es zunächst darum, das Problem zu erkennen, zu bewerten und im Sinne der Nachhaltigkeit Lösungen zu finden. Denn wenn sich Unternehmen mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen und nach innovativen Lösungen suchen, entstehen natürlich auch Zielkonflikte. Ökonomische, ökologische und soziale Anforderungen auszutarieren ist nicht einfach. Im Zweifel gewinnt dann die drittbeste Lösung. Der Weg zur Nachhaltigkeit ist ein ständiges Ringen um eine akzeptable Entscheidung.

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Die fiktive Unternehmerfamilie Baumann
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Die fiktive Unternehmerfamilie Baumann aus Sachsen-Anhalt ist ein ständiger Begleiter im Seminar. Familienmitglieder, Angestellte und Azubis sind authentische Akteure aus dem Groß- und Einzelhandel. Unterhaltsam, nachdenklich und auch kontrovers spiegeln sie typische Situationen und Konflikte aus Unternehmenssicht wider. Sie werfen Fragen auf und regen Diskussionen über nachhaltiges Wirtschaften an. Die Seminarteilnehmer und -teilnehmerinnen versetzen sich in die Lage der Baumanns, übertragen das Dilemma oder die Situation auf ihr Unternehmen und entwickeln eigene Lösungsansätze.

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Die teilnehmenden Firmen sowie Vorgespräche über Problemfelder und Interessen lieferten die Basis für den Branchen- und Praxisbezug. Um während der Seminare auf Bedürfnisse und Themen flexibel reagieren zu können, sah die Mikroplanung Spielräume für Diskussionen und praxisnahe Problemfelder sowie eine große Methodenvielfalt vor.
Besonders interessierten sich alle für die Themen Unternehmensleitbild und kaufmännische Werte sowie die eigene Positionierung in Gegenwart und Zukunft.

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Mittels Worldcloud rückte der Wert Zuverlässigkeit klar in den Fokus. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen analysierten z. B. gegenseitig ihre Firmenwebsites und hatten viel Spaß bei der Erarbeitung ihrer Kurzpräsentation (Elevatorpitch). Auch das Thema Anspruchsgruppen (Stakeholder) war für viele sehr interessant, weil bisher hauptsächlich der Kunde im Blickfeld stand. Vielen wurde erst in der Stakeholder-Analyse klar, dass Unternehmen Teil der Gesellschaft sind und sie ihre Verantwortung stärker ausbauen können.
Ein zentrales Element war die Frage, was in Hinblick auf das Kerngeschäft wesentlich für die Nachhaltigkeit ist. Spannend war in diesem Zusammenhang das Kapitel Wertschöpfung- und Lieferkette. Alle Teilnehmenden brachten ein Produkt aus der eigenen Firma mit und versuchten, dafür die eigene Wertschöpfungskette zu bestimmen.
Vielen Unternehmen macht zudem der Azubi- und Fachkräftemangel zu schaffen. Gemeinsam erarbeiteten die Teilnehmenden Merkmale für eine Arbeitgebermarke und entwickelten eine konkrete Stellenausschreibung für eine teilnehmende Firma, die Auszubildende sucht.

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Lehrmaterialien für Azubis
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Die Selbstlernphasen zwischen den Seminaren sollten zur Vermittlung des Gelernten an die Auszubildenden genutzt werden. Zur Unterstützung wurde eine Arbeitsmappe mit Lehrmaterialien entwickelt: Infoblätter mit komprimierten Hintergrundinformationen, Storys der Familie Baumann sowie Arbeitsblätter mit Bezug zum Rahmenlehrplan. Idealtypisch sollten in den Selbstlernphasen betriebliche Projekte konzipiert und gemeinsam mit den Azubis umgesetzt werden. Das gelang in den gesetzten Zeiträumen leider nicht immer. Einige Ausbilder und Ausbilderinnen wollten sich zudem erst selbst mit dem Stoff auseinandersetzen und ihn später vermitteln. Andere hingegen setzten sich sofort mit ihren Azubis zusammen und analysierten z. B. ihre Wertschöpfungskette, holten Informationen bei Lieferanten ein und berichteten über ihre Erfahrungen.

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Brainstorming
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Das Curriculum wurde von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen sehr gut angenommen.
Sie hatten natürlich unterschiedliche Interessen und hätten gern verschiedene Aspekte vertieft. Die sechs Präsenztage ließen jedoch nur eine bestimmte Inhaltstiefe der Themen zu, so dass anschließende individuelle Beratungen nachgefragt und durchgeführt wurden.

Für den zweiten Durchgang wurden folgende Schlussfolgerungen gezogen:

  • Konzentration auf Schwerpunktthemen
  • Zusätzliche Werkstattgespräche zur Vertiefung interessierender Themen
  • Nutzung von Modulen aus anderen Projekten der Förderlinie - Erfahrungsaustausch und Vernetzung
  • Verstärkung von Aktivitäten durch IHK und Praxispartner vor Ort, um die Multiplikatoren noch besser zu erreichen

Die ersten IHK-Zertifikate werden im Februar im Rahmen einer Einführungsveranstaltung für den zweiten Durchgang der Fortbildung verliehen.

Weitere Informationen

www.inebb.de