Begründung des Ausbildungsverhältnisses
Berufsausbildungsvertrag, betrieblicher Ausbildungsplan, Wahlqualifikationen, ärztliche Erstuntersuchung bei Minderjährigen, Probezeit - viele Vorgaben des Gesetzgebers sind zu Beginn der Ausbildung für einen erfolgreichen Start zu berücksichtigen.

Im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens bewirbt sich der Auszubildende in der Regel auf einen ausgeschriebenen Ausbildungsplatz. Hierbei sind für den Ausbildungsbetrieb insbesondere die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu beachten, die auch im Ausbildungsverhältnis gelten. Das AGG verbietet bei der Begründung, Durchführung und bis zur Beendigung des Ausbildungsverhältnisses jede Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Da das Gesetz den Geschädigten u. a. Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche zubilligt, ist im Rahmen des gesamten Bewerberauswahlverfahrens auf eine strikte benachteiligungsfreie Auswahl zu achten.
1. Berufsausbildungsvertrag

Nach durchlaufenem Bewerbungsverfahren wird das Ausbildungsverhältnis durch Abschluss eines Berufsausbildungsvertrages zwischen dem Ausbildenden und dem Auszubildenden begründet. Bei minderjährigen Auszubildenden ist zusätzlich die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter erforderlich. Dies sind im Regelfall als Personensorgeberechtigte Mutter und Vater gemeinsam.
Für das Ausbildungsverhältnis sind gemäß § 10 Abs. 2 BBiG grundsätzlich die für ein Arbeitsverhältnis geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anwendbar, soweit nicht das BBiG speziellere Regelungen beinhaltet.
Der Berufsausbildungsvertrag soll laut § 11 BBiG spätestens vor Beginn der Ausbildung schriftlich geschlossen werden und muss mindestens folgende Angaben enthalten:
- Name und Anschrift der Ausbildenden sowie der Auszubildenden, bei Minderjährigen zusätzlich Name und Anschrift ihrer gesetzlichen Vertreter oder Vertreterinnen
- Art, sachliche und zeitliche Gliederung sowie Ziel der Berufsausbildung, insbesondere der Berufstätigkeit, für die ausgebildet werden soll
- Beginn und Dauer der Berufsausbildung
- Ausbildungsstätte und Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte
- Dauer der regelmäßigen täglichen Ausbildungszeit
- Dauer der Probezeit
- Zahlung und Höhe der Vergütung sowie deren Zusammensetzung, sofern sich die Vergütung aus verschiedenen Bestandteilen zusammensetzt
- Vergütung oder Ausgleich von Überstunden
- Dauer des Urlaubs
- Voraussetzungen, unter denen der Berufsausbildungsvertrag gekündigt werden kann
- Allgemeine Hinweise auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Berufsausbildungsverhältnis anzuwenden sind
- Form des Ausbildungsnachweises
Diese Vertragsniederschrift ist von dem Ausbildenden, dem Auszubildenden und ggf. dessen gesetzlicher Vertreter zu unterschreiben. Dem Auszubildenden und seinen gesetzlichen Vertretern ist die unterzeichnete Niederschrift unverzüglich auszuhändigen.
Es empfiehlt sich, den von der jeweils zuständigen Stelle herausgegebenen Muster-Berufsausbildungsvertrag zu verwenden, der um sog. "Sonstige Vereinbarungen" ergänzt werden kann, um die nötige Individualität und Flexibilität eines jeden Ausbildungsverhältnisses zu gewährleisten.
Werden nachträglich inhaltliche Änderungen vorgenommen, so sind auch diese Änderungen schriftlich festzuhalten, zu unterzeichnen und dem Auszubildenden unverzüglich auszuhändigen.
Ausbildungsvertragsmuster und ergänzendes Merkblatt zum Download:
bibb.de: Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 14. Dezember 2022 zum Ausbildungsvertragsmuster

Betrieblicher Ausbildungsplan
Der Betrieb muss den Ausbildungsrahmenplan vor Beginn der Ausbildung in einem betrieblichen Ausbildungsplan auf die konkreten betrieblichen Gegebenheiten anpassen. In dem betrieblichen Ausbildungsplan muss auch stehen, wie viel Lernzeit für welche Inhalte im Betrieb oder ggf. bei Verbundpartnern vorgesehen ist.
Sollten nicht alle Ausbildungsabschnitte von einem Betrieb angeboten werden können, können mehrere natürliche oder juristische Personen in einer Verbundausbildung zusammenwirken. Dabei muss die Verantwortlichkeit für die einzelnen Ausbildungsabschnitte sowie für die Ausbildungszeit insgesamt sichergestellt sein.
Ein Mangel in der Berechtigung, Auszubildende einzustellen oder auszubilden, berührt die Wirksamkeit des Berufsausbildungsvertrages nicht, § 12 BBiG.
Hingegen ist eine Vereinbarung über
- die Verpflichtung Auszubildender, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen,
- Vertragsstrafen,
- den Ausschluss oder die Beschränkung von Schadensersatzansprüchen,
- die Festsetzung der Höhe eines Schadensersatzes in Pauschbeträgen
nichtig.
Bei der zuständigen Stelle muss die Eintragung des Berufsausbildungsverhältnisses vorgenommen werden, § 34 BBiG.
2. Wahlqualifikationen festlegen
In den Ausbildungsverordnungen der Ausbildungsberufe kann eine Anzahl an "Wahlqualifikationen" vorgeschrieben sein. Sie sind von Bedeutung für die Ausbildung und Abschlussprüfung. Die dort vorgeschriebenen Wahlqualifikationen müssen bereits im Berufsausbildungsvertrag schriftlich vereinbart werden oder können mit einem Vertragszusatz als Anlage zum Berufsausbildungsvertrag nachträglich (spätestens ein Jahr vor Ausbildungsende) erfolgen. Der Umfang der Wahlqualifikationen beträgt insgesamt zwischen 6 und 18 Monate. Sie dienen der Vertiefung bereits erworbener Qualifikationen sowie der Erlangung höherer Handlungskompetenz.
3. Ärztliche Erstuntersuchung bei Minderjährigen

Vor Beginn des Ausbildungsverhältnisses müssen sich minderjährige Auszubildende einer ärztlichen Erstuntersuchung unterziehen, die innerhalb der letzten 14 Monate vor Beschäftigungsbeginn zu erfolgen und die sich auf den Gesundheits- und Entwicklungsstand und die körperliche Beschaffenheit des Auszubildenden zu erstrecken hat. Hierüber hat der untersuchende Arzt eine entsprechende Bescheinigung auszustellen, die dem Ausbildenden vor Beginn der Ausbildung vorzulegen ist, §§ 32 ff. JArbSchG. Der Arzt kann hier ggf. einen sog. Gefährdungsvermerk über Arbeiten, die der Jugendliche nicht ausführen darf, aufnehmen. Ein Jahr nach Beginn der Ausbildung haben minderjährige Auszubildende dem Ausbildenden eine ärztliche Nachuntersuchung, die nicht länger als drei Monate zurückliegt, nachzuweisen. Der Ausbildende ist gehalten, den Auszubildenden auf diese Nachweispflicht frühzeitig hinzuweisen. Nach Ablauf von 14 Monaten nach Ausbildungsbeginn ohne Nachweis der Nachuntersuchung dürfen jugendliche Auszubildende nicht mehr weiter beschäftigt werden.
4. Probezeit, § 20 BBiG
Zu Beginn eines Ausbildungsverhältnisses steht die Probezeit. Für Auszubildende soll sie dazu dienen, den Beruf und den Ausbildungsbetrieb kennenzulernen. Auf der anderen Seite hat der Ausbildungsbetrieb die Möglichkeit, festzustellen, ob der Auszubildende das Potenzial hat, die Ausbildung erfolgreich abzuschließen und ob er sich gut in den Betrieb einfügt.
Die Probezeit soll mindestens einen und höchstens vier Monate dauern. In dieser Zeit können die beiden Vertragspartner ohne eine Angabe von Gründen das Ausbildungsverhältnis jederzeit kündigen. Die Kündigung muss immer schriftlich erfolgen und tritt dann, da keine Frist einzuhalten ist, in der Regel sofort in Kraft und beendet das Ausbildungsverhältnis. Die Kündigung muss der Kammer umgehend mitgeteilt werden. Der Auszubildende hat Anspruch auf anteiligen Urlaub und Vergütung.
Einen besonderen Kündigungsschutz in der Probezeit genießen allerdings Auszubildende, die entweder schwanger oder schwerbehindert oder aber Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung ("JAV"), der Interessenvertretung der Auszubildenden und Jugendlichen in einem Betrieb oder einer Dienststelle, sind.
Eine Probezeit kann nur verlängert werden, wenn mehr als ein Drittel dieser Zeit z. B. durch Krankheit unterbrochen wird. Dann verlängert sich die Probezeit um diesen Zeitraum, soweit dies individualvertraglich vereinbart ist.
Fall: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.06.2016, 6 AZR 396/15
Eine sog. "Verlängerungsabrede" der Probezeit für den Fall einer längerfristigen (krankheitsbedingten) Unterbrechung der Probezeit stellt nach Auffassung des BAG keine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB dar und ist somit wirksam. Der Auszubildende kann durch die Verlängerungsabrede eine "zweite Chance" bekommen.
Fall: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.11.2015, 6 AZR 844/17
Eine Anrechnung einer Probezeit aus einem anderen zuvor bestehenden Vertragsverhältnis (hier Praktikumsvertrag) sieht § 20 BBiG nicht vor. "Eine erneute Vereinbarung einer Probezeit ist nur dann unzulässig, wenn zwischen dem neuen Berufsausbildungsverhältnis und dem vorherigen Ausbildungsverhältnis derselben Parteien ein derart enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass es sich sachlich um ein Berufsausbildungsverhältnis handelt."