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Mit verschiedenen Rollen zurechtkommen

Noch mehr To-dos, noch weniger Zeit? Als ausbildende Fachkraft dürfen Sie in mehrere Rollen schlüpfen. Wer das weiß, bekommt den Blick fürs Ganze.

Wenn Sie Ihre Rollen kennen, hat das zwei Vorteile. Sie haben klar vor Augen, welche Aufgaben und Herausforderungen damit verbunden sind. Und Sie können bei möglichen Rollenkonflikten bewusst Prioritäten setzen. 

Denn es kann Situationen geben, in denen Sie nicht allen Anforderungen gerecht werden können – denen des Unternehmens, denen der Auszubildenden und Ihren eigenen. Doch keine Angst: Mit der passenden Einstellung und den richtigen Strategien lassen sich Rollenkonflikte vermeiden oder zumindest entschärfen. 

Rolle Nr. 1: Ausbilderin oder Ausbilder

Grafik Ausbilder

Bei Ihnen sollen die Auszubildenen vor allem zwei Dinge lernen: die Praxis in ihrem zukünftigen Beruf und die dafür nötigen fachlichen Grundlagen. Sie bereiten sie damit nicht nur auf die Prüfung, sondern auch auf das Arbeitsleben vor. Das geht nur, wenn Sie die Auszubildenden aktiv in den Berufsalltag einbinden. So können sie eigene Erfahrungen sammeln.

Gut zu wissen

Menschen sind unterschiedlich. Jeder geht auf seine ganz eigene Art und Weise an Aufgaben heran und bringt unterschiedliche Kompetenzen mit. Das ist bei Auszubildenden nicht anders. Sie sind geprägt durch unterschiedliche soziale und kulturelle Hintergründe. Auch haben sie bereits ihren eigenen Lernstil entwickelt. Hier ist Ihr Einfühlungsvermögen gefragt: Je besser Sie auf die individuellen Bedürfnisse der Auszubildenden eingehen, desto höher sind die Chancen, dass diese auch echten Mehrwert aus ihrer Tätigkeit ziehen. 

Rolle Nr. 2: Lerncoach

Test

„Hilf mir, es selbst zu tun!“ Was die Pädagogin und Ärztin Maria Montessori vor über 100 Jahren postulierte, gilt heutzutage mehr denn je. Junge Menschen müssen befähigt werden, selbstorganisiert zu lernen.

Zum Lerncoach Ihrer Auszubildenden werden heißt, sie in ihrer individuellen Problemlösekompetenz zu fördern. Am Anfang kann eine einfache Frage stehen: „Wie würdest du das angehen?“ Lassen Sie die Auszubildenden selbst Lösungen finden, anstatt sie ihnen fix und fertig zu präsentieren. Auf dem Weg dahin dürfen sie Fehler machen. Nur so lernen sie.

Eigenständiges Lernen fördern

Schaffen Sie Raum und Zeit für Phasen, in denen eigenständiges Lernen und das Sammeln von Erfahrungen angesagt ist. Auch Sie profitieren davon: So können Ihnen Auszubildende eher die ein oder andere Aufgabe abnehmen.

„In der Berufsschule haben wir das aber anders gelernt!“ ist ein Satz, der oft fällt seitens der Auszubildenden. Begreifen Sie solche Einwände als Chance für einen Perspektivwechsel. Haken Sie interessiert nach: „Was hat man euch dort dazu gesagt?“ Vielleicht profitieren Sie von der anderen Herangehensweise.

Rolle Nr. 3: Führungskraft

Führungskraft

Als ausbildende Fachkraft sind Sie nicht nur ein Kollege oder eine Kollegin, sondern auch Führungskraft für Ihre Auszubildenden. In dieser Rolle erteilen Sie Aufträge, kontrollieren die Ergebnisse und geben Feedback.

In jedem Unternehmen gibt es Regeln und Verhaltenskodizes. Als Vorgesetzte oder Vorgesetzter ist es Ihre Aufgabe, sie an die Auszubildenden weiterzugeben. Doch nicht nur das. Sie sollten darauf achten, dass sie auch eingehalten werden. Ein saloppes, kollegiales „Das geht aber besser!“ reicht nicht, wenn Dinge nicht so laufen, wie sie sollten. Klare, sachliche Ansagen sind angebracht, damit die Auszubildenden wissen, dass sie ihr Verhalten oder ihre Leistungen anpassen müssen.

Praxistipp: Klare Ansagen statt vager Hinweise

Seit einem Monat arbeiten die Auszubildenden Tom und Ela nun in Anjas Bereich. Nicht alles läuft reibungslos. Tom ist bereits dreimal zu spät und völlig übermüdet ins Büro gekommen. Über Ela hat sich unlängst ein Kunde beschwert, weil sie am Telefon kurz angebunden und unfreundlich war. Anja fordert in Vier-Augen-Gesprächen deutlich und bestimmt eine Verhaltensänderung ein. Sie lässt Ela und Tom überlegen: „Wie kannst du es künftig besser machen?“

Rolle Nr. 4: Erzieherin oder Erzieher

Rolle Nr. 4: Erzieher

Wer noch nicht oder gerade eben erwachsen ist, hat andere Bedürfnisse als ein Dreißig- oder Vierzigjähriger. Sind Ihre Auszubildenden noch sehr jung, schlüpfen Sie automatisch in die Rolle der Erzieherin oder des Erziehers.

Besonders gut füllen Sie diese Rolle aus, wenn Sie Ihre Schützlinge bestärken und ihnen mitfühlend und wertschätzend begegnen. Mit dieser Grundhaltung gewinnen Sie ihr Vertrauen. Ein großes Plus für beide Seiten, denn in einer vertrauensvollen Atmosphäre lernt es sich leichter, schneller und motivierter.

Rolle Nr. 5: Kollege oder Kollegin

Rolle Nr. 5: Kollege oder Kollegin

Jeder Mensch braucht das Gefühl dazuzugehören. Integrieren Sie die Auszubildenden in das Team. Zeigen Sie ihnen, was eine gute Zusammenarbeit ausmacht und wie man voneinander profitieren kann. Begegnen Sie ihnen als Teamplayer auf Augenhöhe. Das erhöht die Motivation und die Bereitschaft Ihrer jungen Kollegen, die Extrameile zu gehen.

Praxisbeispiel: Auf Augenhöhe

Anja lädt Tom und Ela zu jeder Teambesprechung ein. Wird dort etwas diskutiert, fragt sie stets auch ihre Auszubildenden: „Was haltet ihr davon? Habt ihr eine Idee, wie wir das angehen könnten?“

Rolle Nr. 6: Fachkraft

Fachkraft

Wenn alles zu viel wird... ein Praxisbeispiel

Anja hat einen Berg Arbeit vor sich und weiß nicht, was davon sie zuerst erledigen soll. Zwischen zwei wichtigen Telefonaten kommt ihre Auszubildende Ela in ihr Büro und fragt: „Können Sie mir helfen? Ich weiß nicht, wie ich hier weiterkomme.“

Die eigene Arbeit mit der Verantwortung für Auszubildende in Einklang zu bringen, ist ein Balance-Akt. Er gelingt nicht immer. Mal kommt die eine Aufgabe zu kurz, mal die andere. Haben Sie aber das Gefühl, dass die Schieflage eine dauerhafte ist, sollten Sie das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten suchen. Dauerstress und Überforderung helfen weder Ihnen noch den Auszubildenden und letztlich auch nicht dem Unternehmen. 

Übung: Die Adlerperspektive einnehmen

Machen Sie sich hin und wieder die verschiedenen Rollen bewusst, um gelassener mit ihnen umzugehen. Das gelingt, indem Sie mit Distanz auf Ihr Agieren schauen: Wann sind Sie Fachkraft, wann Ausbildende, Führungskraft, Erzieherin, wann Kollege, wann Lerncoach? Ebenso hilfreich ist ein weiterer Perspektivwechsel: Stellen Sie sich vor, Sie sind der oder die Auszubildende. Wie würden Sie sich wahrnehmen?

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