Steigendes Ausbildungsangebot in Berufen mit langjährigem Fachkräftemangel
06.05.2022
Obwohl es in vielen Berufen einen starken Mangel an Fachkräften gibt und die duale Ausbildung immer noch der Königsweg zur Fachkräftesicherung ist, sanken in den letzten Jahren sowohl das Angebot an als auch die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen. Ist der Fachkräftemangel also hausgemacht? Eine Studie des Institutes der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass in Berufen mit starkem Fachkräftemangel das Angebot sogar zugenommen hat und zudem noch ungenutzte Potenziale bestehen.

In den letzten Jahren sind die Fachkräfteengpässe auf dem Arbeitsmarkt weiter angestiegen, und in immer mehr Berufen können nicht alle offenen Stellen besetzt werden. Während beispielsweise im Verkauf von Fleisch- oder Backwaren im Jahr 2013 noch keine Engpässe bestanden, gibt es dort mittlerweile eine deutliche Fachkräftelücke. In anderen Berufen, wie der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik oder der Bauelektrik, zeigt sich seit über zehn Jahren kontinuierlich ein starker Fachkräftemangel.
Wie können Fachkräfteengpässe gesenkt werden?
Es werden verschiedene Wege diskutiert, wie Fachkräfteengpässe gesenkt werden können. In den vergangenen Jahren konnte die Erwerbsbeteiligung von Älteren und Frauen deutlich gesteigert werden (Destatis, 2022a; Koneberg/Jansen, 2021). Die Nettozuwanderung hingegen ist im Zuge der Corona-Pandemie im Jahr 2020 vorübergehend deutlich gesunken (Destatis, 2022b). Ein wesentlicher Bereich der Fachkräftesicherung ist in Deutschland die duale Ausbildung, in der die relevanten beruflichen Kompetenzen aktuell vermittelt werden. Hier gehen allerdings seit Jahren sowohl das Angebot an als auch die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen zurück. Hinzu kommt, dass der demografische Wandel sich immer stärker auswirkt, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und dadurch der Fachkräftebedarf zusätzlich steigt (Koneberg/Jansen, 2021). Daher gilt es, das vorhandene Ausbildungspotenzial umfassend auszuschöpfen und möglichst noch zu steigern.
Zusammenführung von Angebot und Nachfrage
Für den Ausbildungsmarkt wird dabei das Matching zunehmend zum Problem (Jansen/Hickmann, 2021). Die Herausforderung ist, Angebot und Nachfrage zusammenzuführen. Es gibt in vielen Berufen und Regionen unbesetzte Ausbildungsplätze, während es in anderen Berufen und Regionen unversorgte Bewerberinnen und Bewerber gibt. Doch während sich die Betriebe nur bedingt aussuchen können, in welchem Beruf sie einen Ausbildungsplatz anbieten, können Jugendliche hier durchaus flexibler agieren. Betriebe bieten vor allem in denjenigen Berufen Ausbildungsplätze an, in denen sie auf dem Arbeitsmarkt Fachkräfte benötigen. Diese Bedarfsorientierung ist ein zentraler Vorteil des dualen Ausbildungssystems, da dort qualifiziert wird, wo Beschäftigungs- und Karriereperspektiven bestehen, die sich nach der Ausbildung über Fort- und Weiterbildungsangebote fortsetzen.
Insgesamt ist das Ausbildungsangebot seit 2013 gesunken. Damals lag es noch bei gut 564.000 Ausbildungsstellen. Nach einem leichten Rückgang im Jahr 2014 stieg es dann bis 2018 auf etwa 589.000. Im Zuge der Corona-Pandemie erreichte das Ausbildungsangebot mit 527.000 einen Tiefststand. Im Jahr 2021 stieg es wieder leicht an und lag zuletzt bei 536.000.
Unternehmen reagieren auf den Fachkräftemangel, indem sie das entsprechende Ausbildungsangebot ausweiten
Der Ausbildungsmarkt entwickelt sich zwischen den Regionen und Berufen sehr unterschiedlich. Der Kurzbericht des IW legt den Fokus auf die berufsstrukturellen Unterschiede mit Bedeutung für Fachkräfteengpässe. Hier zeigt sich, dass Unternehmen intensiv auf den Fachkräftemangel reagieren, indem sie das entsprechende Ausbildungsangebot ausweiten: In Berufen, in denen bereits seit vielen Jahren Engpässe herrschen, stieg das Angebot seit 2013 deutlich an. Vergleicht man den Wert am aktuellen Rand zum 30.09.2021 mit dem Ausgangswert von 2013, dann zeigt sich, dass das Ausbildungsangebot in Berufen mit langjährigem Fachkräftemangel um 15,7 Prozent gestiegen ist. In Berufen, die in diesem Zeitraum keine Fachkräfteengpässe verzeichneten, sank es hingegen um 15,1 Prozent. Bei Berufen, die nur teilweise von Fachkräfteengpässen betroffen waren, sank das Angebot leicht um 3,8 Prozent.
Strukturwandel in der Ausbildung
Bei Berufen mit anhaltenden Engpässen ist das Ausbildungsangebot fast kontinuierlich gestiegen. Erst die Corona-Pandemie im Jahr 2020 führte zu einem vorübergehenden Rückgang. Aber selbst im ersten Pandemie-Jahr fiel der Rückgang in Berufen, welche durchgehend Engpässe aufwiesen, mit nur 6,8 Prozent vergleichsweise niedrig aus. In Berufen, die seit 2013 keine Engpässe aufwiesen, belief sich dieser pandemiebedingte Rückgang hingegen auf 10,3 Prozent. Diese strukturellen Unterschiede zeigen, dass Unternehmen intensiv auf den Fachkräftemangel reagieren und dass damit ein Strukturwandel in der Ausbildung einhergeht. Dieser könnte noch stärker ausfallen, wenn das Matching von Angebot und Nachfrage noch besser ausgeglichen werden könnte.
(Quelle: Meldung des IW vom 26.04.2022)
Weitere Informationen
IW-Kurzbericht Nr. 41/2022: Steigendes Ausbildungsangebot in Berufen mit langjährigem Fachkräftemangel (Kostenfreier Download als PDF)