IHK-Lehrstellen-Plus von 1,4 Prozent bedeutet noch keine Entwarnung
15.07.2021
Nach dem Corona-bedingt schwachen Ausbildungsjahr 2020 wurden im Bereich der Industrie- und Handelskammern (IHKs) zuletzt wieder mehr Lehrverträge abgeschlossen. Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), appelliert dennoch an junge Menschen und Betriebe, die Anstrengungen fortzusetzen.

"Wenn ganze Branchen über Monate geschlossen sind, dann ist in solchen Betrieben auch Ausbildung nur sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich", erläuterte Adrian die Lage gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Vor allem seien in der Breite Praktika von Schülerinnen und Schülern in den Betrieben sowie Ausbildungsmessen ausgefallen. "Dadurch ist insgesamt die Zahl der Bewerber um Ausbildungsplätze deutlich stärker gesunken als das Angebot", so Adrian. "Wir trommeln deshalb mit den IHKs auf allen Kanälen für diesen praxisnahen Einstieg ins Berufsleben."
1,4 Prozent mehr IHK-Ausbildungsverträge
Und tatsächlich wurden bis Ende Juni 1,4 Prozent mehr IHK-Ausbildungsverträge registriert als im Vorjahr. "Der Trend ist hier positiv, denn in den Monaten davor lagen die Zahlen noch im Minus", berichtete Adrian. "Ich appelliere gleichwohl an Jugendliche und Unternehmen: Bleibt dran!"
Wissenslücken bei den Schulabgängern aufgrund des Distanzunterrichts beobachtet er bislang nicht. "Dazu ist es noch zu früh. Im vergangenen Jahr konnten wir noch keine großen Qualitätsunterschiede feststellen. Aber da hatten wir bis zum Sommer 2020 auch nur zwei, maximal drei Monate ohne geregelten Schulunterricht. Das hat nach dem langen Lockdown jetzt natürlich eine ganz andere Dimension. Die Zeugnisse sind gut wie immer, welche Aussagekraft sie haben, werden wir erst in einem halben Jahr wissen."
Fachkräftemangel gewinnt als Geschäftsrisiko wieder an Bedeutung
Das Problem, dass den Betrieben qualifiziertes Personal knapp wird, sieht der DIHK-Präsident mit dem leichten Anstieg der Ausbildungszahlen noch nicht gelöst. "Da müssen wir noch mehr tun." Vor Corona hätten in den DIHK-Umfragen rund 60 Prozent der Unternehmen den Mangel an Fachkräften als ihr größtes Problem bezeichnet. Dieser Anteil sei in der Pandemie auf ein Viertel gesunken, liege inzwischen aber wieder über 40 Prozent.
"Und die schwierigste Phase hat gerade begonnen", gab Adrian zu bedenken: "In diesem und in den Folgejahren gehen bereits jeweils 300.000 Menschen mehr in Rente als aus der Schule nachrücken können – Tendenz weiter steigend."
Der DIHK-Präsident ist überzeugt: "Praktische Ausbildung, praxisnahe Weiterbildung und duales Studium sind wichtige Mittel, um Betriebe und junge Menschen gleichermaßen für eine gute Zukunft zu rüsten. Wir brauchen parallel eine funktionierende Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie mehr qualifizierte Zuwanderung." Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das am 1. März 2020 in Kraft getreten ist, habe während weltweiter Lockdowns und Reisebeschränkungen bislang kaum wirken können. "Aber wir sollten da Schritt für Schritt neue Chancen nutzen und unbedingt am Ball bleiben."