IAB: Azubis mit Fluchthintergrund brauchen mehr denn je professionelle Unterstützung
05.02.2021
Aufgrund des Infektionsrisikos durch Covid-19 können junge Geflüchtete auf ihrem Weg in die Ausbildung derzeit nicht wie gewohnt durch oftmals ältere Ehrenamtliche unterstützt werden. Professionelle Unterstützungsangebote sind daher aus Sicht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wichtiger denn je, um die berufliche Integration zu stärken.

Von 2015 bis 2019 wurde laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für knapp 638.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Asyl beantragt. Viele kamen im Familienverband. Andere leben in Deutschland ohne Eltern oder andere Erziehungsberechtigte – sind also sogenannte unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Bei unbegleiteten Minderjährigen wurde Eurostat zufolge zwischen 2015 und 2019 in gut 74.000 Fällen ein Erstantrag auf Asyl in Deutschland gestellt.
Diese jungen Menschen treffen hierzulande auf eine Einwanderungskultur, die sich im Wandel befindet. So hat der Gesetzgeber das Ausbildungssystem seit dem Jahr 2008 für bislang ausgeschlossene Gruppen von Geflüchteten nach und nach geöffnet. Dies gilt etwa für junge Geflüchtete mit Duldungsstatus. Damit steigen deren Arbeitsmarkt- und Einkommenschancen.
Darüber hinaus können sie ihre aufenthaltsrechtliche Situation durch eine Ausbildung und eine anschließende qualifizierte Beschäftigung unter bestimmten Voraussetzungen verbessern – längerfristig bis hin zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft. Damit eröffnen sich den Geflüchteten nachhaltige Zukunftsperspektiven. Zugleich stehen den Unternehmen dadurch mittel- und längerfristig zusätzliche Fachkräfte zur Verfügung.
Ihre jeweilige Lebenssituation kann aber sowohl die unbegleiteten als auch die begleiteten jungen Geflüchteten bei ihrem Weg in Ausbildung vor große Herausforderungen stellen. Beide Gruppen in dieser Situation zu unterstützen, ist deshalb essenziell. Darauf weisen Befunde aus einem einschlägigen IAB-Forschungsprojekt hin.
Gerade bei unbegleiteten Minderjährigen beobachten interviewte Expertinnen und Experten oft eine hohe Motivation, zügig die deutsche Sprache zu erlernen und in der Schule gute Noten zu erzielen sowie einen Abschluss zu erwerben.
Ob sie anschließend eine betriebliche Ausbildung machen oder arbeiten dürfen, hängt von ihrer jeweiligen aufenthaltsrechtlichen Situation ab: Als anerkannte Flüchtlinge haben sie Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Sind sie noch im Asylverfahren oder aufenthaltsrechtlich geduldet, brauchen sie eine Beschäftigungserlaubnis durch die örtliche Ausländerbehörde. Dürfen sie eine Ausbildung aufnehmen oder arbeiten, stehen viele vor dem Dilemma, entweder möglichst rasch Geld in unqualifizierten Helfertätigkeiten zu verdienen oder eine Ausbildung mit zunächst wesentlich geringerer Vergütung aufzunehmen.
Fachkräfte aus Beratungsstellen berichteten im Interview, dass sie junge Geflüchtete oftmals intensiv über die Arbeitsmarkt- und Aufenthaltschancen informieren, die ihnen eine Ausbildung in Deutschland bietet. Dennoch entscheiden sich nicht wenige dagegen. Dahinter steht oft der Druck, im Herkunftsland verbliebene Angehörige finanziell zu unterstützen und/oder Schulden bei Schleusern abbezahlen zu müssen.
Ausbildung in der Covid-19-Pandemie
Laut Bundesagentur für Arbeit ging im Berufsberatungsjahr 2019/2020 die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber auf einen Ausbildungsplatz zurück, ebenso die Zahl der Ausbildungsstellen. Als Folge der Covid-19-Pandemie könnten sich die Ausbildungschancen auch von Geflüchteten verschlechtern. Zudem besteht die Gefahr, dass gerade junge Menschen mit vergleichsweise schwierigen Startchancen in Schule und Ausbildung abgehängt werden.
Gerade wenn es um den Zugang zu einer beruflichen Ausbildung und um ihren erfolgreichen Verlauf geht, ist es wichtig, dass junge Geflüchtete unterstützt werden. Dies gilt trotz teils unterschiedlicher Herausforderungen für unbegleitete wie begleitete junge Geflüchtete in ähnlicher Weise. Diese Unterstützung ist in einem Ausbildungsmarkt, der aktuell aufgrund der Corona-Krise eher schrumpft als wächst, umso dringlicher. Sie kommt auch dem Arbeitsmarkt zugute, auf dem nach wie vor Fachkräfteengpässe zu erwarten sind – durch die Alterung der inländischen Erwerbspersonen, aber auch durch die rückläufige Einwanderung.
In den vergangenen Jahren waren es oftmals gerade Ehrenamtliche, die jungen Geflüchteten bei ihrer beruflichen Orientierung, ihrer Suche nach einem Ausbildungsbetrieb sowie beim Lernen geholfen haben. Zumindest mittelfristig steht zu befürchten, dass sich die oftmals älteren Ehrenamtlichen aus der Begleitung und Unterstützung von Geflüchteten zurückziehen, um die Zahl ihrer Kontaktpersonen während der Pandemie zu reduzieren.
Umso wichtiger sind professionelle Unterstützungsstrukturen, auch wenn diese in der Covid-19-Pandemie ebenfalls Einschränkungen unterliegen. So konnten viele Maßnahmen der Berufsorientierung im Jahr 2020 nicht oder nur unter speziellen Auflagen stattfinden. Dies gilt etwa für persönliche Beratungsangebote oder Berufsorientierungsmessen der Bundesagentur für Arbeit – Angebote, die gerade für junge Menschen mit Migrationshintergrund wichtig sind.
Zu hoffen ist, dass die jungen Menschen bald wieder stärker auch mit persönlicher Beratung und Förderung unterstützt werden können. Das gilt sowohl für die Suche nach geeigneten Ausbildungsberufen und Ausbildungsbetrieben als auch für das erfolgreiche Absolvieren einer Ausbildung.
Wichtig auf dem Weg in Ausbildung ist auch die professionelle Beratungsinfrastruktur, wie sie etwa im Programm „Integration von Asylbewerberinnen, Asylbewerbern und Flüchtlingen (IvAF)“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit EU-Förderung aufgebaut wurde. In der Pandemie umso bedeutsamer wird schließlich auch die Jugendhilfe, die unbegleitete Geflüchtete aktuell nach Möglichkeit noch stärker unterstützen sollte.
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