Positionen zum Berufsbildungsbericht 2019
11.04.2019
Ein Zuwachs an Ausbildungsplätzen und die gestiegene Nachfrage nach Ausbildungsstellen führten 2018 zu mehr neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Vergleich zum Vorjahr. Ebenfalls erhöht hat sich jedoch die Anzahl der unbesetzten Ausbildungsstellen, die Besetzungsprobleme der Betriebe nehmen zu. Foraus.de hat Einschätzungen und Stellungnahmen zum Berufsbildungsbericht 2019 gesammelt.

Stellungnahme des BIBB-Hauptausschusses
Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hat die gesetzliche Aufgabe, die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Berufsbildung zu beraten. Dazu gehört laut Berufsbildungsgesetz (BBiG) auch die Stellungnahme zum Entwurf des jährlichen Berufsbildungsberichts. Der Ausschuss ist zu gleichen Teilen mit Vertretern von Bund, Ländern sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen besetzt.
Der Hauptausschuss dankte in seiner Sitzung am 15. März 2019 den zuständigen Bundesministerien und dem Bundesinstitut für Berufsbildung für die Erstellung des Berufsbildungsberichts 2019. Zudem gaben Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Länder einzelne Stellungnahmen ab.
Ausführliche Stellungnahme des BIBB-Hauptausschusses
Stellungnahme der Gruppe der Beauftragten der Arbeitgeber: Unternehmen engagieren sich immer stärker in Ausbildung
Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze wurde im Berichtszeitraum nochmals erhöht. Mit insgesamt 527.470 gemeldeten betrieblichen Berufsausbildungsstellen hat die Wirtschaft zum fünften Mal in Folge ihr Angebot erweitert und gegenüber dem Vorjahr um 3,6 Prozent aufgestockt. Innerhalb von zehn Jahren ist damit das jährliche Angebot betrieblicher Ausbildungsplätze von rund 450.000 auf 527.470 massiv erweitert worden. Gleichzeitig entwickelt sich die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge positiv.
Allerdings führten rückläufige Zahlen bei den Absolventen allgemeinbildender Schulen sowie der anhaltende Trend zu akademischen Ausbildungsgängen dazu, dass die Zahl der unbesetzt bleibenden Ausbildungsstellen dramatisch (+17,7 Prozent) ansteigt. Dies stellt Unternehmen nicht nur vor kurz- und mittelfristige Probleme hinsichtlich der Fachkräftesicherung. Die - teilweise wiederholte - Erfahrung, dass Ausbildungsangebote nicht angenommen werden, trägt vor allem bei Kleinst- und Kleinbetrieben auch dazu bei, Ausbildungsplätze nicht mehr anzubieten.
Aus Sicht der Beauftragten der Arbeitgeber im BIBB-Hauptausschuss stellt sich die Gesamtsituation am Ausbildungsmarkt für junge Menschen sehr gut dar. Nicht nur aufgrund der demografischen Entwicklung haben dual ausgebildete Fachkräfte beste Perspektiven am aktuellen und zukünftigen Arbeitsmarkt. Gleichzeitig ist die rückläufige Nachfrage nach betrieblichen Ausbildungsplätzen jedoch für die Sicherung des Fachkräftenachwuchses bedenklich.
Stellungnahme der Gruppe der Beauftragten der Arbeitnehmer: Der Ausbildungsmarkt zerfällt in parallele Welten
Auf der einen Seite gibt es rund 57.000 unbesetzte Ausbildungsplätze, auf der anderen Seite sind fast 80.000 Jugendliche akut auf der Suche nach einer Ausbildung. Insgesamt wurden 531.414 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Das sind 8.124 mehr als im Jahr zuvor und entspricht einem Anstieg von 1,6 Prozent. Auch das Angebot von Ausbildungsplätzen ist gestiegen. Gleichzeitig mündeten mehr als ca. 270.000 Jugendliche in die zahllosen Maßnahmen im Übergang von der Schule in die Ausbildung. Wer die 54.100 jungen Menschen, die trotz einer Alternative zur Ausbildung ihren Vermittlungswunsch weiter aufrechterhalten, nicht ignoriert, wird feststellen, dass die ehrliche (erweiterte) Angebotsnachfragerelation bei 96,6 gemeldeten Stellen zu 100 suchenden Jugendlichen lag. Von einem auswahlfähigen Angebot ist man also noch weit entfernt.
Die Zahl der Jugendlichen ohne Berufsabschluss steigt weiter auf 14,2 Prozent der jungen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren. Das sind 2,12 Millionen in diesem Alter. Sie sind die Hochrisikogruppe auf dem Arbeitsmarkt und fühlen sich von den demokratischen Kräften oft nicht mehr gesehen und angesprochen.
Die Gruppe der Beauftragten der Arbeitnehmer im BIBB-Hauptausschuss begrüßt insgesamt die im Koalitionsvertrag angekündigte Weiterentwicklung des für die Berufsbildung maßgeblichen Berufsbildungsgesetzes (BBiG) und sieht dafür eine Reihe konkreter Änderungsbedarfe. Dazu gehört beispielsweise der Vorschlag, mehr Durchlässigkeit in der dualen Ausbildung zu ermöglichen und einen verbindlichen Durchstieg von zwei- in dreijährige Ausbildungsberufe im BBiG festzuschreiben.
Stellungnahme der Gruppe der Beauftragten der Länder: Positive Gesamtentwicklung der beruflichen Bildung
Die Beauftragten der Länder stellen fest, dass aktuell eine positive Gesamtentwicklung der beruflichen Bildung nach BBiG und HwO zu verzeichnen ist und sich die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um 1,6 % erhöht hat. Dieser Zuwachs ist weit überwiegend durch betriebliche Ausbildungsverträge begründet und zeigt damit das Engagement der Wirtschaft.
Ein wesentlicher Teil des Anstiegs der Anzahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge ist auf Verträge mit jungen Geflüchteten zurückzuführen. Die Wirtschaft unternimmt hier, begleitet durch unterstützende Programme des Bundes beziehungsweise der Bundesagentur für Arbeit und der Länder, erhebliche Integrationsanstrengungen. Die Einmündungsquote der Geflüchteten zeigt jedoch, dass es hier auch weiterhin einen Bedarf für eine flankierende Förderung gibt.
Mit Sorge nehmen die Beauftragten der Länder zur Kenntnis, dass die Zahl der Ausbildungsbetriebe insgesamt in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken ist. Insbesondere Klein- und Kleinstbetriebe sind von diesem Rückgang betroffen und haben die größten Schwierigkeiten bei der Besetzung ihrer Ausbildungsstellen. Hier bedarf es neuer Ideen und Initiativen, um Unternehmen zum einen bei der Ansprache von Jugendlichen und Eltern zur Gewinnung von Auszubildenden und zum anderen bei der Durchführung der Ausbildung bedarfsgerecht im Rahmen ihrer eigenen Verantwortung flankierend zu unterstützen.
Die Beauftragten der Länder unterstützen die vorgesehene Fortsetzung der Allianz für Aus- und Weiterbildung auf Bundesebene sowie die Erarbeitung einer Nationalen Weiterbildungsstrategie und tragen selbst auf Landesebene im Rahmen von Ausbildungs- und Fachkräftebündnissen dazu bei, sich gemeinsam mit den Akteuren den Herausforderungen der beruflichen Bildung zu stellen.
Weitere Stimmen zum Berufsbildungsbericht 2019
Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA): Unternehmen engagieren sich immer stärker in Ausbildung
Nach Einschätzung des BDA ist der aktuelle Berufsbildungsbericht ein Zeichen für unternehmerische Verantwortung für die junge Generation. Das Engagement der Unternehmen wächst weiter. Mit über 531.000 Verträgen wurden in 2018 so viele Ausbildungsverhältnisse geschlossen wie seit sechs Jahren nicht mehr. Unternehmen stehen jedoch vor wachsenden Herausforderungen geeignete Jugendliche für ihre Ausbildungsplätze zu finden. 2018 stieg die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen deutlich um 17,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dies stellt Unternehmen nicht nur vor kurz- und mittelfristige Probleme bei der Fachkräftesicherung.
Angebot und Nachfrage müssen deshalb noch besser zusammengebracht werden. Ausbildungsbewerber sollten die Chancen dort wahrnehmen, wo Betriebe sie ihnen bieten - auch in einem anderen Bundesland. Bei der Ausbildung schwächerer Jugendlicher hat sich die Assistierte Ausbildung bewährt, die nun breiter eingesetzt und weiterentwickelt werden muss.
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB): Immer mehr Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung
Mehr als zwei Millionen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren haben nach dem heute vorgelegten Berufsbildungsbericht 2019 der Bundesregierung keinen Berufsabschluss. Fast jeder dritte Jugendliche mit Hauptschulabschluss bleibt trotz aller Übergangsmaßnahmen ohne Berufsabschluss. "Das ist die Hochrisikogruppe auf dem Arbeitsmarkt. Viele ausbildungslose Jugendlichen fühlen sich von der Regierung nicht mehr gesehen und vertreten. Es ist ein ernstes Problem, dass zu diesem Thema auch in der Großen Koalition wenig zu hören ist", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack.
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK): Fachkräftemangel spitzt sich zu - DIHK wirbt für mehr Berufsorientierung und Integration
"Der Berufsbildungsbericht zeigt: Die positive Entwicklung am Ausbildungsmarkt setzt sich fort. Im zweiten Jahr in Folge schlossen die Betriebe mehr Ausbildungsverträge ab als im Jahr zuvor - und das trotz sinkender Zahl der Schulabgänger", erläutert Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DIHK.
Dies ist aber kein Grund zur Entwarnung. Der Fachkräftemangel spitzt sich weiter zu. Bei der aktuellen Überarbeitung des Berufsbildungsgesetzes kommt es deshalb darauf an, gerade die kleinen und mittleren Unternehmen nicht zusätzlich zu belasten. Die Wirtschaft engagiert sich intensiv, mehr junge Menschen für eine betriebliche Ausbildung zu begeistern.
Für eine Stärkung der Beruflichen Bildung ist zugleich eine umfassende und praxisnahe Berufsorientierung in der Schule unerlässlich. Vor allem an den Gymnasien wird immer noch zu wenig über die vielfältigen Chancen einer Beruflichen Bildung informiert.
Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH): Höhere Berufsbildung zeitnah stärken und eine Exzellenzinitiative für die berufliche Bildung einführen
Der Berufsbildungsbericht belegt einmal mehr das große Engagement des Handwerks in der beruflichen Bildung. Zum einen ist das Ausbildungsplatzangebot gestiegen, zum anderen verzeichnen wir mittlerweile im vierten Jahr in Folge ein Plus bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen - trotz sinkender Schulabgängerzahlen und einer anhaltend hohen Studierneigung bei jungen Menschen.
Noch stärker als die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge stieg allerdings die Zahl der unbesetzt gebliebenen Ausbildungsstellen. Allein im Handwerk waren es im vergangenen Jahr mehr als 17.000 angebotene Ausbildungsplätze, die nicht besetzt werden konnten - das ist mehr als jede 10. angebotene Lehrstelle. Betroffen davon waren insbesondere Kleinbetriebe.
Bedauerlicherweise greift der im Berufsbildungsbericht skizzierte Ansatz für einen Berufsbildungspakt zu kurz, um das Nachwuchsproblem zu überwinden. Das Handwerk fordert stattdessen eine umfassendere Initiative, die eine strukturelle, institutionelle und finanzielle Stärkung der beruflichen Bildung vorsieht.