Digitalisierung in der Ausbildung verankern
Lernortkooperationen für die Tischler-Ausbildung 4.0
21.02.2020
Digitales Aufmaß, 3D-Konstruktion und Visualisierung, computergesteuerte Bearbeitungszentren: Die Digitalisierung hat die Produktion im Tischlerhandwerk längst erreicht. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Betriebe künftig Fachkräfte beschäftigen, die bereits in ihrer Ausbildung auf die Anforderungen, die eine digitale Prozesskette mit sich bringt, vorbereitet worden sind. Doch die Ausbildung ist darauf noch zu wenig eingestellt – bei der Umsetzung der Ausbildungsrahmenpläne kommt die Anwendung der digitalisierten Prozesskette oft nicht ausreichend zum Zuge. Eine Lernortkooperation im Rheinland hat das geändert: Im Rahmen des Projekts digitTS (Digitalisierungslehrgang von Tischlern und Schreinern) haben sich Lehrer, Ausbilder und Betriebe zusammengeschlossen – mit dem Ziel, das Thema Digitalisierung unter den bestehenden Voraussetzungen fest in der Ausbildung zu verankern.
Bisher hat die überbetriebliche Ausbildung noch keinen Lehrauftrag, die digitalisierte Fertigung in die Ausbildung zu integrieren. Im Rheinland hat sich daher bereits im Sommer 2016 eine Interessensgruppe von Ausbildern und Betriebsinhabern zusammengefunden, um das zu ändern: Zu den fünf Initiatoren des Pilotprojektes gehören Achim Allrich, Meister beim Bildungszentrum der überbetrieblichen Unterweisung (ÜLU) Butzweilerhof der Handwerkskammer zu Köln, die Lehrerin Manuela Abbing und der Lehrer Roger Pfandhöfer vom Berufskolleg Bergisch Gladbach sowie Paul Bacher von der Leverkusener Tischlerei Feinschnitt und Sebastian Bächer, Inhaber der Kölner Tischlerei Bächer Bergmann. Beide sind auch Vorstandsmitglieder der Tischler-Innungen Bergisches Land bzw. Köln.
Lehrinhalte entwickelt
„Wir wollten eine überbetriebliche Unterweisung für Tischler-Lehrlinge ins Leben rufen, bei der die künftigen Gesellinnen und Gesellen selbst erfahren, wie die digitale Prozesskette praktisch umgesetzt werden kann“, sagt Achim Allrich. Die Projektgruppe entwickelte Lehrinhalte, um Auszubildende aus dem dritten Lehrjahr in den Berufsschulen auf diese Woche vorzubereiten. Schnell war klar: Ohne eine Verbesserung in der Abstimmung zwischen den Lernorten werden die neuen digitalen Prozess- und Fertigungsmöglichkeiten in der Ausbildung nur schwer umzusetzen sein.
Um das zu realisieren, hat die Gruppe das Pilotprojekt digiTS entwickelt. Zu den Inhalten des Lehrgangs gehören der Umgang mit CAD-Zeichenprogrammen, die Grundlagen für das Bedienen von CNC-Bearbeitungszentren, 3D-Druckern und Laserschneidemaschinen sowie das Kennenlernen der wesentlichen Dateiformate. Die beteiligten Lehrkräfte hatten zum Teil bereits Erfahrungen mit den Maschinen und haben zu ihrer Vorbereitung selbst CAD/CNC-Schulungen durchlaufen.
Longboard und Aufbewahrungsmöbel
Im Rahmen des Projektes konstruierten die Schülerinnen und Schüler im Berufskolleg mittels der 3D-Software Pytha ein Longboard und ein dazu passendes Aufbewahrungsmöbel. Der insgesamt 14-tägige Lehrgang, der als Vorabstudie gedacht war, fand im Butzweilerhof sowie am Berufskolleg Bergisch Gladbach statt. In der überbetrieblichen Ausbildungsstätte ging digiTS dann in die Fertigung. Dort wurde nicht nur mit klassischen Maschinen, sondern auch mit einem CNC-Bearbeitungszentrum, einem 3D-Drucker und einem Lasercutter gearbeitet. Außerdem mussten auch ganz klassisch Furniere verleimt werden. Das kam auch bei den Betrieben gut an: 95 Prozent haben ihre Azubis für das Projekt freigestellt.
Im Anschluss wurde der Erfolg des Lehrgangs mithilfe von Fragebögen, die von den Azubis ausgefüllt wurden, evaluiert. Die Rückmeldungen der Jugendlichen waren sehr positiv. Besonders hervorgehoben haben die Auszubildenden die Gestaltungsfreiheit der Aufgabe, die Vernetzung zwischen ÜLU und Berufsschule sowie die hohe Eigenverantwortlichkeit der Planungsteams.
Motivation und Lernerfolg
Auch die Lehrkräfte beurteilten das Projekt sehr positiv: Die Motivation der Schülerinnen und Schüler sei hoch gewesen und die Lernerfolge seien sehr gut. Die Lehrer hoben hervor, dass auch leistungsschwächere oder zurückhaltende Schüler ihre Fähigkeiten zeigen konnten. Dieser Erfolg sei auch zurückzuführen auf die gelungene Lernortkooperation zwischen Berufskolleg und überbetrieblichem Zentrum.
Umsetzung im TSM 3-Kurs
Seit mittlerweile mehr als 15 Jahren existiert eine Lernortkooperation mit dem Bildungszentrum am Butzweilerhof in Köln und den drei Innungen vor Ort aus dem Bergischen Land, Köln und Rhein-Erft, sowie deren fünf Berufskollegs im Rahmen des TSM 3 Kurses. Aus dieser Kooperation erwuchs das Pilotprojekt digiTS, welches digitale Planung und Fertigung in Berufsschule und ÜBL verknüpft und Projekte umsetzt, die im TSO gefertigt werden können. In Abstimmung mit der Innung Bergisches Land wurde dieser erfolgreiche Ansatz der Lernortkooperation weiterentwickelt und auf den TSM 3 übertragen.
In Abstimmung mit den Ausbildern am Butzweilerhof entwickeln und planen die Auszubildenden in den Berufsschulen mittels einer Konstruktionssoftware ihre Möbelprojekte – von der Zeichnung bis zur Stückliste. Diese setzen sie dann im Rahmen des Tischler-Schreiner-Maschinenlehrgangs 3 (TSM 3) um – stets unter Berücksichtigung der durch die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) definierten notwendigen Arbeitsgänge im TSM 3. Der jetzige Schritt ist die Übertragung der Lernortkooperation digiTS_M3 auf den 3. Maschinenkurs. Doch wie lässt sich dieses gelungene Beispiel aus dem Rheinland auf andere Innungen und Regionen übertragen, in denen oftmals ganz andere Voraussetzungen gegeben sind? Um diese Frage zu diskutieren, haben sich Anfang Februar 2020 über 30 Vertreterinnen und Vertreter aus Berufsschulen und überbetrieblichen Lehrwerkstätten aus NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz und Hamburg am Butzweilerhof getroffen.
Möglichkeiten vor Ort nutzen
„Eine Grundvoraussetzung für eine Lernortkooperation ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf Seiten der drei an der Ausbildung beteiligten Partner: Ausbildungsbetriebe, überbetriebliche Lehrwerkstatt und Berufsschule“, betont Roger Pfandhöfer vom Berufskolleg Bergisch Gladbach. Entscheidend ist es dann, Schnittstellen zu finden oder zu kreieren, die eine Einbindung von digitalen Lerninhalten ermöglichen. Dies kann – so wie beim Pilotprojekt digiTS – in dem Maße erfolgen, dass die digitale Planung in der Berufsschule und die spätere Umsetzung in der überbetrieblichen Lehrwerkstatt stattfindet. Verfügt beispielsweise eine Berufsschule selbst über ein CNC-Bearbeitungszentrum, könnten einzelne Teile für ein Möbelprojekt aber auch direkt dort gefertigt werden. Die Gesamtkonstruktion könnte dann in Abstimmung mit der Berufsschule wiederum in der überbetrieblichen Lehrwerkstatt umgesetzt werden. „Die Umsetzung hängt immer von den Gegebenheiten und Möglichkeiten vor Ort ab“, so Manuela Abbing.
Mit den Eindrücken des Eindrücken aus dem Workshop in Köln im Gepäck geht es für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus NRW und den anderen Bundesländern nun darum, jeweils an ihren Standorten Projekte für eine Lernortkooperation und die Einbindung digitaler Inhalte zu initiieren oder weiterzuentwickeln. Ziel ist dabei immer, diese Inhalte innerhalb bestehender Lehrgänge – wie beispielsweise dem TSM 3 – bei gleichbleibender Lehrgangsdauer und in Abstimmung mit der BGHM umzusetzen. Anfang 2021 sollen die Ergebnisse dann zusammengetragen werden, um beispielhaft aufzeigen zu können, wie unter verschiedenen Voraussetzungen digitale Ausbildungsinhalte in Lernortkooperationen umgesetzt werden können.
Bei Interesse am Projekt ist Ihr Ansprechpartner für den Landesfachverband Tischler NRW:
Michael Bücking (E-Mail: buecking @tischler.nrw)
Gerne stellt der Landesfachverband auf Nachfrage auch einen Kontakt zu den Akteuren in der Innung, der Berufsschule und der überbetrieblichen Ausbildung her.