Betriebliche Ausbildung trotz Erschwernissen in der Covid-19-Krise robuster als erwartet
10.11.2020
Die Covid-19-Pandemie hat weitreichende Konsequenzen für die Wirtschaft und stellt die Betriebe auch vor Herausforderungen bei der Ausbildung. So erschweren Kurzarbeit, Homeoffice und Betriebsschließungen die Betreuung von Auszubildenden und das Lernen im Betrieb. Zudem besteht die Gefahr, dass Betriebe angesichts unsicherer Geschäftserwartungen und finanzieller Engpässe ihr Angebot an Ausbildungsstellen zurückfahren oder weniger Ausbildungsabsolventen als geplant übernehmen. Wie eine Betriebsbefragung des IAB zeigt, wirkt sich die Krise zwar durchaus auf die betriebliche Ausbildung aus. Die negativen Effekte sind bislang jedoch weniger gravierend als teilweise erwartet.

Wenn Betriebsteile vorübergehend geschlossen oder Beschäftigte in Kurzarbeit oder im Homeoffice sind, kann es für die Betriebe eine große Herausforderung sein, die Ausbildung angemessen fortzuführen und ihre Auszubildenden zu betreuen. Tatsächlich sah sich ein erheblicher Teil der im Frühjahr dieses Jahres ausbildenden Betriebe dieser Herausforderung gegenüber. Dies zeigen Ergebnisse der Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“. So wurden Prüfungen für Auszubildende in der Hälfte der Ausbildungsbetriebe verschoben; ein gutes Drittel gab an, dass die Ausbildungsinhalte nicht wie geplant vermittelt werden konnten. In jedem fünften ausbildenden Betrieb konnten die Auszubildenden wegen Kurzarbeit nicht im gewohnten Umfang betreut werden oder tätig sein. In 13 Prozent der ausbildenden Betriebe wurde die Ausbildung durch Homeoffice beeinträchtigt. Jeder zehnte Ausbildungsbetrieb schließlich gab an, dass die Ausbilder – zum Beispiel wegen Kinderbetreuung oder Quarantäne – für einen längeren Zeitraum ausgefallen sind.
Vor allem im Gastgewerbe war die Durchführung der Ausbildung durch die Krise beeinträchtigt
Die starke Einschränkung der Ausbildung in einzelnen Branchen dürfte in jedem Fall problematische Folgen für Betriebe und Auszubildende in diesen Branchen haben. Dies gilt vor allem für das von der Krise besonders betroffene Gastgewerbe, denn dort waren temporäre Betriebsschließungen und Kurzarbeit sehr weit verbreitet. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass fast sechs von zehn Ausbildungsbetrieben in diesem Wirtschaftszweig angaben, dass die Ausbildungsinhalte nicht wie geplant vermittelt werden konnten. Die Hälfte gab an, dass die Lehrlinge wegen Kurzarbeit nicht im üblichen Umfang tätig sein oder betreut werden konnten. Darüber hinaus wurden die Ausbildungsabläufe auch bei den „Sonstigen Dienstleistungen“, zu denen beispielsweise das Finanz- und Versicherungswesen gehört, in überdurchschnittlichem Maße beeinträchtigt.
Die Krise hat die Besetzung von Ausbildungsplätzen zum Teil erschwert
Die Covid-19-Pandemie hat nicht nur die Durchführung der Ausbildung in manchen Betrieben empfindlich gestört, sie hat auch dazu geführt, dass manche Betriebe ihr Angebot an Ausbildungsstellen zurückgefahren haben. Wenn die Entwicklung der weiteren Geschäftstätigkeit und damit der künftige Bedarf an ausgebildeten Fachkräften unsicher sind, lohnt sich eine Ausbildung für die Betriebe unter Umständen nicht mehr.
Den Befragungsergebnissen zufolge hat rund ein Drittel aller ausbildungsberechtigten Betriebe geplant, für das jetzt begonnene Ausbildungsjahr Ausbildungsplätze zu besetzen. Die Hälfte dieser Betriebe gab an, dass die Covid-19-Krise keine Auswirkungen auf die Besetzung von Ausbildungsplätzen hatte. Dabei sind es insbesondere die größeren Betriebe, an deren Besetzungsplänen sich trotz Pandemie nichts geändert hat. Zudem konnten vergleichsweise viele Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Baugewerbe an ihren ursprünglichen Ausbildungsplänen festhalten.
Die negativen Auswirkungen der Krise auf die Besetzung von Ausbildungsplätzen scheinen eher qualitativer als quantitativer Art zu sein. So war der Besetzungsprozess in gut einem Drittel der Betriebe nach eigener Auskunft aufgrund der Krise erschwert. Dies kann beispielsweise damit zusammenhängen, dass Vorstellungsgespräche aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht wie gewohnt stattfinden konnten und Praktika oder Ausbildungsmessen abgesagt werden mussten.
Die Betriebe haben ihre Stellenbesetzungspläne nur selten revidiert
Nur zwei Prozent der Betriebe gaben an, bereits vor der Krise geschlossene Ausbildungsverträge wieder aufgelöst zu haben. Hatten Betriebe sich also schon für eine Bewerberin oder einen Bewerber entschieden, kam dieses Ausbildungsverhältnis in der Regel auch zustande. Allerdings waren zum Zeitpunkt des Beginns der Krise noch nicht alle Ausbildungsplätze besetzt. In solchen Fällen hat jeder fünfte Betrieb, der Ausbildungsplätze besetzen wollte, die ursprünglich geplante Besetzung wieder aufgegeben.
Für manche Betriebe ist auch denkbar, dass die Covid-19-Pandemie nicht zu weniger, sondern zu mehr besetzten Ausbildungsplätzen geführt hat. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Nachfrage nach bestimmten Gütern oder Leistungen in den vergangenen Monaten gestiegen ist und die Betriebe von einem weiteren positiven Verlauf der Geschäftstätigkeit ausgehen. Den vorliegenden Daten zufolge trifft dies jedoch nur auf drei Prozent der Betriebe zu.
Die Übernahme von Ausbildungsabsolventen wurde durch die Krise nur wenig beeinflusst
Neben der sogenannten ersten Schwelle am Ausbildungsmarkt – der Besetzung von Ausbildungsstellen – ist für Betriebe wie Auszubildende auch die zweite Schwelle von Bedeutung, also die Übernahme durch den Betrieb nach Abschluss der Ausbildung. Für viele Betriebe lohnt sich die Ausbildung finanziell erst in einer längerfristigen Perspektive, also dann, wenn sie ihre Ausbildungsabsolventen übernehmen können. Für die Ausbildungsabsolventen garantiert die Übernahme einen direkten Übergang von der Ausbildung in die Beschäftigung.
Sieben Prozent der Betriebe, in denen Auszubildende in diesem Jahr ihre Ausbildung abgeschlossen haben, gaben an, dass sie weniger Auszubildende übernommen haben als ursprünglich geplant. Demgegenüber übernahmen nicht einmal ein Prozent der Betriebe mehr Ausbildungsabsolventen als geplant.
Fazit
Angesichts der Schwere der gegenwärtigen Krise, der unsicheren Geschäftserwartungen sowie der finanziellen Schwierigkeiten vieler Betriebe wurden zum Teil massive Einbrüche auf dem Ausbildungsmarkt erwartet. Wie die Daten zeigen, hat die Covid-19-Krise zwar durchaus die betriebliche Ausbildung erschwert, doch scheinen diese negativen Auswirkungen bislang weniger gravierend zu sein als teilweise erwartet.
Gestört wurde zum einen die Durchführung der Ausbildung, die in den vergangenen Monaten beispielsweise aufgrund von Kurzarbeit oder der Schließung von Betriebsteilen nicht immer wie gewohnt ablief. Zum anderen wirkte sich die Krise auf die Besetzung von Ausbildungsplätzen aus – Probleme, die jedoch vorwiegend qualitativer Natur waren. So berichteten Betriebe zum Teil von erschwerten Stellenbesetzungsprozessen, reduzierten aber vergleichsweise selten die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Die Zahl der vom Ausbildungsbetrieb übernommenen Ausbildungsabsolventen war ebenfalls nur in wenigen Betrieben rückläufig.
Bei dieser Gesamtbetrachtung sollte man jedoch nicht übersehen, dass es einzelne Segmente der Wirtschaft gibt, in denen die Covid-19-Krise die Ausbildung in besonderer Weise erschwert hat. Dies betrifft vor allem das Gastgewerbe. Dort wurde die Durchführung der Ausbildung empfindlich gestört, die geplante Besetzung von Ausbildungsplätzen musste häufiger als in anderen Branchen aufgegeben werden.
Weitere Informationen
Die ungekürzte Studie finden Sie auf der Webseite des IAB: Betriebliche Ausbildung trotz Erschwernissen in der Covid-19-Krise robuster als erwartet (Autoren: Bellmann, Lutz; Fitzenberger, Bernd; Gleiser, Patrick; Kagerl, Christian ; Kleifgen, Eva; Koch, Theresa; König, Corinna ; Leber, Ute; Pohlan, Laura; Roth, Duncan; Schierholz, Malte ; Stegmaier, Jens; Aminian , Armin)