Azubi gesucht: DIHK-Umfrage unter rund 15.000 Ausbildungsunternehmen
18.08.2022
Noch nie war es schwieriger für die Betriebe, geeignete Azubis zu finden, und noch nie haben Unternehmen dafür größere Anstrengungen unternommen: Die aktuelle Ausbildungsumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zeigt, wie sehr die Corona-Pandemie die Lage am Ausbildungsmarkt nochmals verschärft hat.

"Mehr als vier von zehn IHK-Ausbildungsbetrieben konnten im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen – ein Allzeithoch. Und von diesen Unternehmen hat mehr als jedes dritte keine einzige Bewerbung erhalten", berichtet der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks von den alarmierenden Ergebnissen der Erhebung unter bundesweit rund 15.000 Ausbildungsbetrieben.
Hatte der Anteil der Betriebe, die nicht für alle offenen Stellen Azubis finden konnten, im Jahr 2018 noch bei 32 Prozent gelegen, betrug er 2021 bereits 42 Prozent. Das bedeutet einen Anstieg um 10 Prozentpunkte in nur drei Jahren über alle Branchen hinweg.
In jedem zweiten Industriebetrieb bleiben Lehrstellen unbesetzt
Die Industrie (ohne Bau) verzeichnete sogar einen Zuwachs von 17 Prozentpunkten (Anstieg von 33 auf 50 Prozent aller Ausbildungsbetriebe), aber auch im Gastgewerbe (56 auf 67 Prozent) sowie in Transport und Logistik (40 auf 54 Prozent) bleiben immer mehr Ausbildungsplätze frei. Lediglich bei den unternehmensorientierten Dienstleistungen ist die Lage gegenüber 2018 zumindest unverändert (26 nach 26 Prozent).
Als Grund für die Nichtbesetzung von Ausbildungsplätzen wird immer häufiger das komplette Ausbleiben von Bewerbungen genannt: Das galt 2021 für 36 Prozent der Fälle, 2018 "nur" für 30 Prozent.
Pandemie schadet der Berufsorientierung und dem Matching
Dass sich die Schere zwischen Ausbildungsangeboten und nachfragenden Jugendlichen noch weiter geöffnet hat, führt Achim Dercks nicht zuletzt auf die Corona-bedingten Einschränkungen zurück. Hierdurch wurden die Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsplatzsuche erheblich erschwert: Die Berufsberater der Arbeitsagenturen kamen nicht mehr in die Schulen, Ausbildungsmessen und Betriebspraktika mussten komplett abgesagt werden. "Das hat bei vielen Jugendlichen die Orientierungslosigkeit verstärkt", bedauert er.
Und er betont: "Den Unternehmen ist der hohe Stellenwert der Berufsorientierung sehr bewusst. Sie und die Kammern haben bereits während der Pandemie neue digitale Formate entwickelt, um die fehlenden Angebote von Schulen und Arbeitsagenturen bestmöglich abzufedern."
Das Engagement der Unternehmen geht jedoch noch deutlich weiter: Der DIHK-Umfrage zufolge möchten drei von vier Ausbildungsbetrieben ihr Angebot in der beruflichen Orientierung künftig weiter ausbauen. Allein 51 Prozent planen, mehr Schülerpraktika anzubieten, 38 Prozent wollen Veranstaltungen durchführen, 25 digitale Informationsangebote verstärken.
Ausbildungsangebote werden optimiert, Inhalte sind aktuell
Die Art und Weise der Wissensvermittlung und des Ausbildens selbst richten Betriebe zunehmend an den Wünschen der Generation Z aus. Dercks: "Jeweils mehr als die Hälfte der Unternehmen haben in den vergangenen Jahren versucht, ihre Ausbildung mit flachen Hierarchien (58 Prozent) und moderner IT-Technik (51 Prozent) attraktiver zu gestalten." Weitere häufig genannte Ansätze zur zeitgemäßen Gestaltung sind der Einstellungsprozess und finanzielle Anreize (je 37 Prozent), neue Lehr- und Lernkonzepte (27 Prozent), Projekte für Azubis (26 Prozent) oder Mentorenprogramme (18 Prozent). Auch mobile und Teilzeit-Ausbildungsangebote oder Auslandsaufenthalte spielen zunehmend eine Rolle.
Je nach Branche ergeben sich dabei recht unterschiedliche Schwerpunkte. Beispielsweise liegt im Baugewerbe (42 Prozent) oder im Gastgewerbe (48 Prozent) der Fokus auf finanziellen Anreizen. Auf welchem Wege auch immer: "Die Unternehmen haben ihre Türen und Tore weit geöffnet und werben um den Nachwuchs", fasst Achim Dercks die Stimmung zusammen.
Mit der Aktualität der Ausbildungsinhalte sind die Betriebe zufrieden. 94 Prozent der Unternehmen geben an, dass die Aktualität der Ausbildungsberufe auch in Zeiten der Digitalisierung gewährleistet ist. Nur 4 Prozent wünschen sich eine Überarbeitung von Berufen, Bedarf für einen ganz neuen Beruf sehen lediglich 2 Prozent.
Betriebe gegen Ausbildungsgarantie
Eine Ausbildungsgarantie für Wunschberufe lehnen vier von fünf der Unternehmen (81 Prozent) ab. 43 Prozent äußern die Sorge, dass außerbetrieblich Qualifizierte nicht dem Bedarf der Praxis entsprechen würden, 12 Prozent befürchten einen weiteren Rückgang der Bewerbungen für ihre Ausbildungsplätze. Jedes zehnte Unternehmen verweist zudem darauf, dass schulschwache Jugendliche bei einer Ausbildung im Betrieb bessere Chancen hätten.
"Die geplante Ausbildungsgarantie sollte im Sinne einer Chancengarantie und des 2014 in der Allianz für Aus- und Weiterbildung vereinbarten 'Pfades in Ausbildung' umgesetzt werden", rät deshalb Achim Dercks: "Unter Beteiligung von Gewerkschaften, Wirtschaft, Bundesregierung, Bundesländern und Bundesagentur für Arbeit wird jedem ausbildungsinteressierten Menschen ein Pfad aufgezeigt, der ihn frühestmöglich zu einem Berufsabschluss führen kann."
Jugendliche, die bis Ende September eines Jahres keinen Ausbildungsplatz gefunden hätten, erhielten dann drei Angebote für eine betriebliche Ausbildung – wenn auch nicht immer im Wunschberuf.